Zahlen und Fakten

Die im Archiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lagernden rund 50.000 Akten bilden einen geschlossenen Überlieferungsstrang vom Gründungsjahr der Klinik 1888 bis 1989. Über vier politische Systeme – vom Kaiserreich über die Weimarer Republik, das Dritte Reich und die DDR hinweg – machen die Unterlagen Patientenschicksale und therapeutisches Handeln sichtbar und historisch analysierbar. 

Dies gilt in besonderem Maße für die sich seit den 1920er-Jahren auch an der Martin-Luther-Universität etablierende Eugenik, die Grundlage der nationalsozialistischen Vererbungslehre und Rassenhygiene bzw. Euthanasie war. Ihr fielen in der benachbarten Tötungsanstalt Bernburg bis 1943 knapp 15.000 Menschen zum Opfer. Am Bestand kann zudem das Wirken bedeutender Psychiater, darunter Carl Wernicke (1848–1905), Gabriel Anton (1858–1933), Alfred Hauptmann (1881–1948) und Helmut Rennert (1920–1994), erforscht und so ein Beitrag zur vergleichenden Psychiatriegeschichte geleistet werden. Zudem steht der Quellenkorpus für die Erinnerung an Menschen, die aufgrund „devianten“ Verhaltens einer therapeutischen, aber auch disziplinierenden Institution zugeführt wurden. Oftmals sind die Krankenakten ihr einziges Lebenszeugnis. 

Infolge unsachgemäßer Lagerung waren die Akten durch Wasserschäden, Schimmelbefall, mechanische Schäden und Säurefraß akut gefährdet. Um weiteren Informationsverlust zu vermeiden, wurden sie dekontaminiert, trockengereinigt, massenentsäuert und konservatorisch bearbeitet. Nach der Verpackung in Archivmappen und -kartons wurden die Patientenakten ins Universitätsarchiv übernommen und der Forschung zugänglich gemacht.