Seit 2023 präsentiert das Stadtarchiv Wasserburg am Inn seine wertvollen kommunalen Archivbestände und Sammlungen, die bis ins Spätmittelalter zurückreichen, im Onlinekulturportal bavarikon des Freistaats Bayern. Voraussetzung für die hochwertige Digitalisierung des rund 9.000 Archivalien umfassenden Altbestands war dessen konservatorische Sicherung und archivfachliche Erschließung von 2000 bis 2018.
Im Jahr 2000 fand ich als erstmals hauptamtlich eingestellter Archivar die Altbestände der Handelsstadt am Inn konservatorisch ungesichert in zwei Archivgewölben des Rathauses vor. Zudem war der aufgrund seiner sehr dichten Überlieferung zwischen 1339 und 1808 als bedeutend geltende Bestand bis dato nie vollständig archivfachlich geordnet und verzeichnet worden: Das ab 1618 im spätgotischen Rathaus eingerichtete Archiv beinhaltete das schriftliche Erbe der Bürgermeister und Ratsämter der Stadt, der Stadtschreiberei, der Stadtkämmerei, des Stadtgerichts, des Stadtbauamts sowie der Stiftungsverwaltungen bis 1808. Ab dem 19. Jahrhundert wurde das amtliche Archivgut durch Sammlungstätigkeit ergänzt, wozu u. a. zünftische Überlieferungen, private Urkundensammlungen oder Wappenbücher zählen.
Die Stadt errichtete 2002 einen modernen Archivzweckbau. Danach begann das Stadtarchiv mit ersten Übernahmen der Altbestände und Bestandserhaltungsmaßnahmen. Von 2004 bis 2010 wurden kleinere Umzugsportionen vorbereitet, die darin befindlichen geschädigten Archivalien separiert und in 124 Einzelrestaurierungsmaßnahmen bearbeitet. Allerdings waren die Altbestände u. a. durch die in Folge des Rathausbrands 1874 eingetretene Feuchtigkeit vielfach wasser- und schimmelgeschädigt. Deshalb verblieb ein Großteil des Bestands – auch um Querkontamination im neuen Archivzweckbau zu verhindern – bis 2010 unbearbeitet im Alten Archiv. Die weiteren konservatorischen Aufgaben erfolgreich bewältigen und zum Abschluss führen zu können, schien aufgrund der Masse unmöglich.
Schritt für Schritt zur Sicherung
Das Stadtarchiv bewarb sich folgerichtig 2011 um eine KEK-Modellprojektförderung und führte unter dem Motto "Feuer und Wasser" erstmals ein größeres Bestandserhaltungsprojekt durch. Dabei konnten 20,7 Regalmeter Archivgut aus dem Alten Archiv, insgesamt 1.080 Urkunden sowie 648 Aktenbüschel und Bände, konservatorisch gesichert, gereinigt, alterungsbeständig verpackt und schadenskartiert werden. Zudem wurden weitere 22 stark geschädigte Objekte einzeln restauriert.
Mit dem KEK-Modellprojekt war der Weg zur Bewältigung der für eine kleinere Stadt vergleichsweise umfangreichen Bestandserhaltungsaufgaben geebnet. Das Stadtarchiv führte die Sicherung der Bestände des Alten Archivs in den erprobten Projektabläufen in den Folgejahren in vier kleineren Projekten fort und brachte diese zum Abschluss. Zuletzt wurden 2018 die bereits vor 2010 in den Neubau übernommenen Objekte gereinigt und schadenskartiert. Zwischenzeitlich wurden die so gewonnenen Erkenntnisse auf weitere Bestände des Stadtarchivs übertragen. Mit Hilfe der KEK konnten die individuellen Bestandserhaltungsprojekte an den Plansammlungen (2013), Bildarchivbeständen (2014) und zuletzt an der Historischen Bibliothek (2022) mit Schadenskartierungen verknüpft werden. Letztere zeigten und zeigen weitergehende sowie dringende Bestandserhaltungsaufgaben für die nächsten Jahre auf. Diese Arbeiten wurden auf Grundlage der Kataster seit 2015 in weiteren Projekten aufgenommen, die ebenfalls maßgeblich von der KEK unterstützt wurden. Beendet ist die restauratorische Bearbeitung des Alten Archivs jedoch noch nicht. 2023 wurden alle einzelnen Schadenskataster in ein zentrales Kataster überführt, das als Planungsinstrument für Folgeaufgaben dient. Zudem sind dort Restaurierungsnachweise verknüpft und erledigte Teilaufgaben markiert.
Erst sichern, dann erschließen
Die Erschließung erstreckte sich mit der Ersterfassung und der digitalen Gliederung des Bestands von 2000 bis 2018. Für die Online-Veröffentlichung der Metadaten und Digitalisate wurde die gesamte Verzeichnung bis 2023 nochmals redaktionell bearbeitet, außerdem wurden Bestandsübersichten für die Teilsammlungen verfasst. Die hauptsächlichen Erschließungsarbeiten fanden im Anschluss an die Bestandserhaltungsprojekte statt. Hierbei wurden auch die Schadenskataster fortgeschrieben und weitere konservatorische Auffälligkeiten sowie aktuelle Signaturen ergänzt.
Daran schloss sich 2020 bis 2022 die vollständige Digitalisierung an. Für diese wurden dem Dienstleister die Schadenskartierungen an die Hand gegeben. Dies unterstützte die konservatorisch schonende Digitalisierungsmaßnahme, da fragile Objekte leicht identifizierbar waren und ihrem Zustand entsprechend im Projektablauf Berücksichtigung finden konnten. Digitalisiert wurde schließlich ein komplett konservatorisch gesicherter, gereinigter sowie mit ca. 70% des Gesamtbestands in Teilen restaurierter Bestand. Jedoch spiegelt der aktuelle Stand auch wider, dass ca. 200 Archivalien der Schadenklassen 3 ("Gefahr für Objekt und Information") und 4 ("Gefahr von Verlust für Objekt und Information") weiterer Restaurierungen bedürfen. Über die Online-Stellung hinaus bleibt der Originalerhalt des Alten Archivs eine wichtige Zukunftsaufgabe.