Zahlen und Fakten

Bundesland
Ort
Berlin, Deutschland
Jahr
2011
Förderlinie
Kategorie
Gattung
Materialität
Fördersumme
11.900,00 Euro

Die Künstlerin Hannah Höch (1889–1978) gehörte in der Weimarer Republik zur Avantgarde Berlins und zum Kreis der Dadaisten. Neben ihrer Malerei wurde sie vor allem durch ihre Collagen bekannt. Im Jahr 1917 begann die damals 28-jährige Höch damit, eine unlinierte Kladde als Adressbuch zu verwenden. Da sie über ihre Künstlerkreise gute Verbindungen hatte, füllte sich das Adressbuch rasch. Dennoch wechselte sie das ursprüngliche Heft im Laufe der Zeit nie aus und verwendete es über den Zeitraum von mehr als sechs Jahrzehnten bis zu ihrem Lebensende. So wurde die Sammlung aus überschriebenen Einträgen, Querverweisen, zusätzlich eingehefteten, geknickten und eng beschriebenen Blättern unterschiedlicher Papiersorten über die Jahrzehnte selbst zu einem Kunstwerk – und wuchs auf einen Umfang von 430 Seiten.

Heute ist das Adressbuch ein Teil von Höchs Nachlass, der aus insgesamt 12.000 Dokumenten besteht und in der Berlinischen Galerie verwahrt wird. Die immer wieder erweiterte und einem eigenen System folgende Kladde nimmt innerhalb dieser Sammlung einen besonderen Platz ein. Die herausragende Rolle ist zum einen dem Inhalt zu verdanken, findet sich in dem Buch doch das "Who-is-Who" kunst- und kulturschaffender Personen des 20. Jahrhunderts. Diese über Jahrzehnte gewachsene und stets aktualisierte Liste an Persönlichkeiten stellt für sich eine bedeutende Quelle für die Forschung dar. Zum anderen verfügt das Heft über einen künstlerischen Wert als Objekt: ein Alltagsgegenstand, der als Langzeitkunstwerk zu einer eindrucksvollen Collage wurde, die Hannah Höch fast ihr ganzes Leben lang begleitete. Die zu bersten scheinende Kladde mit Querverweisen, Ergänzungen und Einheftungen verweist so selbst auf Hannah Höchs künstlerisches Werk.

Adressbuch Hannah Höch

Bedingt durch die jahrzehntelange Nutzung des Hefts und alterungsbedingten Schäden des holzschliffhaltigen Papiers, bedurfte das Adressbuch jedoch konservatorischer Behandlung. Risse, Fehlstellen, Knicke, Abrieb, Klebestellen und lose Seiten bedrohten die langfristige Sicherung des Objekts, dessen Wellkartonumschlag wiederum nur von einer Kordel zusammengehalten wurde. Eine Nutzung für die weitere Forschung oder die Ausstellung im Museum waren so nicht möglich. Die Restaurierung stellte sich aufgrund des komplizierten und fragilen Arrangements als äußerst schwierig und arbeitsintensiv dar. Hier wurde ein minimalinvasiver Ansatz verfolgt und das Heft möglichst im ursprünglichen Zustand belassen, um es als Kunstobjekt originalgetreu zu erhalten. Ohne das Heft in seine Einzelblätter zerlegen zu können, musste Seite für Seite vorgegangen werden. In diesem Zuge wurden die Blätter gereinigt, teilweise geglättet sowie Risse und Fehlstellen mit Japanpapier ergänzt. Büroklammern und Stecknadeln, die bei restauratorischer Behandlung in der Regel wegen der Rostbildung entfernt werden, wurden in diesem Fall einzeln mit einem speziellen Kunststoff überzogen, damit sie keine weitere Wechselwirkung mit dem empfindlichen Papier eingehen.

Das aufwändige Vorhaben wurde im Rahmen der KEK-Modellprojektförderung gefördert und führte zu einer Stabilisierung des Adressbuchs ohne seinen ursprünglichen collagenhaften Charakter zu beinträchtigen. In Zukunft wird es daher möglich sein, das Heft für Ausstellungs- und Editionszwecke zu nutzen. Im Anschluss der Restaurierung befand sich das Buch damit in einem Zustand, in dem eine Digitalisierung für die weitere Nutzung möglich war. Durch ein von der Servicestelle Digitalisierung (digiS) gefördertes Projekt liegt das Buch mit seinem kulturgeschichtlich wichtigen Inhalt vollständig in digitaler Form vor. Es ist über die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) und die digitalen Sammlung der Berlinischen Galerie einsehbar.