Soldaten vor Azurblau, goldene Bohrtürme oder die sowjetische Jugend in Zitronengelb: Die von John Heartfield (1891—1968) gestalteten Schutzumschläge für Romane von John Dos Passos, Upton Sinclair und Ilja Ehrenburg sind Kunstwerke in sich. Erschienen im Malik-Verlag, den sein Bruder Wieland Herzfelde 1917 gegründet hatte, gelten einige der Publikationen heute als Klassiker. Auch die Umschläge waren einflussreich. Als Ikonen des frühen Grafikdesigns wurden sie zu begehrten Sammlerobjekten. Schon zu Lebzeiten Heartfields erklärte Kurt Tucholsky unter Pseudonym: "Wenn ich nicht Peter Panter wäre, möchte ich ein Buchumschlag im Malik-Verlag sein." 

Fotomontage John Heartfield

Einen besonders repräsentativen Bestand hat die Akademie der Künste in Berlin zusammengetragen, die den grafischen Nachlass des Fotomonteurs verwaltet. Keine leichte Aufgabe, denn das Leben Heartfields, der in seinen Werken Militarismus, Faschismus und die Heuchelei des Bürgertums anprangert, war bewegt. 1933 zwangen ihn die Nationalsozialisten ins Exil, das Malik-Verlagsarchiv wurde vernichtet. In Prag und London war Heartfield weiter als politischer Künstler aktiv, erst 1950 kehrte er nach Deutschland zurück. Als überzeugter Kommunist lebte er fortan in der DDR. In späteren Jahren bemühte sich vor allem Gertrud Heartfield, die Ehefrau des Künstlers, den Bibliotheksbestand im Auftrag der Akademie möglichst lückenlos wiederaufzubauen und zu erweitern. Nach ihrem Tod 1983 übernahm die Kunstsammlung der Akademie diese Aufgabe. Die Sammlungsbibliothek an deren Standort umfasst heute 464 Bände, darunter bibliophile Raritäten und Unika.

"Heartfield hat die Fotomontage nicht erfunden, sie aber über lange Zeit als primäres künstlerisches Medium genutzt und zur politischen Aufklärung eingesetzt", erzählt Anna Schultz, Kunsthistorikerin und Co-Kuratorin der Ausstellung John Heartfield – Fotografie plus Dynamit, die noch bis zum 23. August 2020 in der Akademie der Künste zu sehen ist. Neben Originalmontagen, Fotos und Objekten geben ausgewählte Schutzumschläge Einblick in Heartfields künstlerisches Schaffen über fünf Jahrzehnte hinweg. "Interessant an den Umschlägen sind die unterschiedlichen Varianten", meint Schultz. "Teilweise ändern sich in verschiedenen Ausgaben Farbgebung oder Schriftart, manchmal aber auch die grafische Gestaltung. Heartfields Entwürfe wurden in der Weimarer Republik öfter zensiert." So zum Beispiel der Umschlag zu Heinrich Wandts Bericht Erotik und Spionage in der Etappe Gent (1928), den die Zensurbehörde für zu freizügig und armeekritisch befand.

Kunstwerk oder doch Verpackung? 

Bevor die Buchumschläge in die Vitrinen der Ausstellung wandern konnten, mussten einige von ihnen restauriert werden. Nicht nur wegen Heartfields bewegter Exilgeschichte, auch wegen der langjährigen Benutzung der Bände waren viele der Umschläge in schlechtem Zustand. "Es waren natürlich nicht nur Bücher des Malik-Verlags beschädigt", erklärt Ingeborg Fries aus dem Team der Restaurierung der Akademie. Wandts Bericht beispielsweise ist im kommunistischen Wiener Agis-Verlag erschienen. "Wir haben den Erhaltungszustand eines Teils der Sammlungsbibliothek John Heartfield überprüft und für dieses Projekt insgesamt 45 Schutzumschläge mit starken mechanischen Schäden separiert." Umgesetzt wurde die Restaurierung im Rahmen einer KEK-Modellprojektförderung 2019. In der Papierrestaurierung sind Schutzumschläge eine Objektgruppe, der oft wenig Beachtung geschenkt wird. Das Projekt hatte deshalb eindeutig Modellcharakter. Hinzu kommt, dass Buchumschläge häufig weggeworfen werden, da sie als bloße Papierstreifen gelten, die den Einband bei Transport oder Verkauf vor Verunreinigungen schützen. Selten werden sie – wie in Heartfields Fall – als eigenständige Kunstwerke angesehen und deshalb auch erhalten.

Schutzumschlag
Fehlstellenergänzung mit gefärbtem Japanpapier. © The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn 2020. Akademie der Künste, Berlin, Foto: Vendulka Cejchan

Die Feinarbeit an Sinclair, Ehrenburg und weiteren Umschlägen machte die Papierrestauratorin Vendulka Cejchan. "Die Schutzumschläge wiesen zahlreiche Knicke, Risse und Fehlstellen auf", beschreibt sie den Zustand der Objekte vor der Restaurierung. "Entlang des Umbugs um die Vorderkanten der Deckel war das Papier oft abgebaut und in der obersten Schicht gebrochen." Nach der Reinigung und Glättung verklebte Cejchan Risskanten und sicherte sie auf der Rückseite mit dünnen Japanpapierstreifen – immer im Rahmen des Möglichen und Nötigen. "Bezüglich der Fehlstellenergänzung hatte die Klassifizierung der Schutzumschläge als ästhetische und visuelle Entität obersten Stellenwert, vergleichbar eher mit einer Druckgrafik als mit einem rein mechanischen Einbandschutz." Aus einer Palette farbig getönter Japanpapiere stellte Cejchan die Ergänzungen aus mehreren Schichten zusammen, wobei sie die Farbigkeit an die Umgebung der Fehlstelle anpasste.

Restaurierung und Ausstellung werden zusammengedacht

Im Vorfeld der Restaurierung waren neben den geplanten konservatorischen Maßnahmen auch konzeptuelle Aspekte zu klären. Da einige der Schutzumschläge in die Ausstellung wandern sollten, musste entschieden werden, welche Objekt- oder Gestaltungselemente im Fokus stehen sollten. "Ein Beispiel wäre ein Farbverlauf auf einem Umschlag vom Rücken zur Titelseite", erklärt Ingeborg Fries. "Da müssten wir z. B. klären, was ausgestellt werden und daher perfekt aussehen soll: der Rücken oder die Titelseite?" Die Kommunikation mit der Sammlungsabteilung der Akademie sei deshalb sehr wichtig gewesen.

Heartfield Buchumschlag
Der Schutzumschlag zu Sinclairs Roman "Petroleum" nach der Restaurierung. © The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn 2020. Akademie der Künste, Berlin, Foto: Vendulka Cejchan

Nach Abschluss der Restaurierung wurden die Umschläge wieder um die Bücher gelegt. Im Magazin werden sie zusätzlich durch einen maßgefertigten Schuber aus säurefreiem Karton geschützt. Der Umschlagszustand wurde im elektronischen Bibliothekskatalog der Akademie vermerkt. Einen Überblick über diese und andere Objekte gibt der Bestandskatalog Heartfield Online, in dem der gesamte bildkünstlerische Nachlass des Grafikers verzeichnet ist. Die Datenbank mit über 6.200 Werken ist frei zugänglich und lässt sich auch nach Materialgruppen durchsuchen. Schutzumschläge verschiedener Schaffensperioden und Verlage können so miteinander verglichen werden.

Besonders eindrucksvoll ist die Originalität von Heartfields Entwürfen. "Sein Ziel war es nicht, täuschend realistische Bilderfindungen zu kreieren, sondern durch nachvollziehbare Interventionen auf die Wahrheit hinter der Lüge hinzuweisen", meint Anna Schultz. "Er wollte Manipulation sichtbar machen." Was im Fall der politischen Grafiken und Fotocollagen des Künstlers augenfällig ist, lässt sich auch an den Buchumschlägen ablesen. Die Erkenntnis, dass Erdöl nicht nur Reichtum beschert, steht am Ende von Sinclairs Roman Petroleum (1927). Heartfield fasst sie auf dem Umschlag zusammen: Wer Erdöl fördert, sitzt im Käfig – wenn auch in einem goldenen.