Im letzten Jahr lud die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) gleich zweimal zum Bundesweiten Expertengespräch in die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, um über die Umsetzung und Weiterentwicklung ihrer Förderprogramme zu diskutieren. Nach einem außerordentlichen Expertengespräch am 17. Januar fand am 28. Oktober das reguläre VI. Bundesweite Expertengespräch statt. An Themen fehlte es nicht, schließlich waren viele der Teilnehmenden auch an geförderten Projekten beteiligt – sei es in der Leitung, der fachlichen Beurteilung oder der Betreuung. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Mario Glauert vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam und Dr. Michael Vogel von der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, die den Vorsitz des Fachbeirats der KEK bilden.  

Das BKM-Sonderprogramm 2019

Zu Beginn des VI. Bundesweiten Expertengesprächs gab Dr. Ursula Hartwieg, die seit 2011 die KEK leitet, einen Überblick über das BKM-Sonderprogramm 2019. In den Vorjahren wurden jeweils 1 Millionen Euro (2017) bzw. 2,5 Millionen Euro (2018) an Projekte in den Ländern und in Bundeseinrichtungen vergeben. 2019 waren es 4,5 Millionen Euro. Diese Erhöhung, so Hartwieg, sei als positiv zu werten, da sie verdeutliche, wie wichtig die Politik den Originalerhalt mittlerweile nehme. Eine weitere Stabilisierung des Programms geht von den BKM-Fördergrundsätzen aus, die im Dezember 2018 in Kraft getreten sind. Seither können Projekte mit Gesamtkosten zwischen 10.000 und 400.000 Euro beantragt werden. Eine Besonderheit der Förderlinie ist die anteilige Finanzierung: 50% werden vom Bund geleistet, 50% vom Land, von der Einrichtung oder Drittmittelgebern. Das Prinzip vom Originalerhalt als Gemeinschaftsaufgabe tritt an dieser Stelle besonders deutlich hervor.

Diskussionspanel
Stephanie Preuss, Johannes Kistenich-Zerfaß, Mario Glauert, Michael Vogel und Björn Schmidt (von links). © KEK

Dass die Koordinierung von Förderprogrammen zwischen Bund und Ländern jedoch nicht immer einfach ist, zeigte die anschließende Diskussion. Mitunter kollidieren Antragsfristen oder ziehen sich bürokratische Prozesse, z.B. bei der Bewilligung und der Zuweisung, in die Länge. Auch die geforderte Begutachtung der Anträge auf Landesebene ist nicht immer einfach, da die nötigen Strukturen noch nicht überall auf- und ausgebaut worden sind. An diesen Schaltstellen bleibt daher viel Koordinierungsarbeit zu leisten, schließlich ist die Synchronisierung der Landesprogramme mit dem BKM-Sonderprogramm eine der Kernaufgaben der KEK. 

Nicht nur auf staatliche Behörden, sondern auch auf den freien Markt müssen die Einrichtungen mit ihren Projekten Rücksicht nehmen: Je nach Zeitpunkt im Jahr sind die Kapazitäten der Dienstleister unterschiedlich, z.B. im Bereich der Massenentsäuerung. Je später hohe Projektsummen zugewiesen werden, desto schwieriger wird es, entsprechend große Mengen Schriftgut in kurzer Zeit behandeln zu lassen. Da BKM aber seit 2019 mehrjährige Anträge zulässt, ist mittlerweile auch eine mittelfristige Planung möglich. Problemen bürokratischer Natur, z.B. im Antragsprozess, kann die KEK begegnen, indem sie, wo nötig, Formulare und Fristen anpasst. Außerdem werden neue Maßnahmen wie Schadenserfassung in die Förderung aufgenommen. Insgesamt zeigten sich die anwesenden Expertinnen und Experten erfreut über das verstärkte finanzielle Engagement des Bundes, das in anderen Bereichen wie dem Denkmalschutz bereits eine lange Tradition hat.

Die KEK-Modellprojektförderung 2019

Auch die zweite Förderlinie – die KEK-Modellprojektförderung – wurde von den Expertinnen und Experten im Detail diskutiert. Da dieses Programm aus dem Grundhaushalt der KEK finanziert wird und daher ein deutlich niedrigeres Gesamtvolumen hat, ist es immer überzeichnet. 2019 wurden insgesamt 39 Projekte zum Thema "Prävention lohnt" bewilligt, weil sie sich durch besondere Modellhaftigkeit, Innovation und zu erwartende Öffentlichkeitswirkung auszeichneten. An den Antragszahlen könne, so Dr. Ursula Hartwieg, der hohe Bedarf an umfassender und koordinierter Notfallvorsorge vor allem in kleineren Einrichtungen abgelesen werden. An letztere richtet sich die Förderlinie insbesondere deshalb, da keine 50%-Eigenfinanzierung wie im BKM-Sonderprogramm, sondern nur ein "substanzieller Eigenanteil" gefordert wird, der nicht festgelegt ist und in Form von Eigen- oder Drittmitteln eingebracht werden kann.

Mario Glauert
Annette Gerlach, Mario Glauert, Michael Vogel und Andreas Mälck (von links). © KEK

Auch in der KEK-Modellprojektförderung braucht die Durchführung bestandserhaltender Maßnahmen ihre Zeit, deshalb sind schon seit 2016 mehrjährige Projekte zugelassen. Gleichzeitig eröffnet der Begriff der Modellhaftigkeit einen weiten Gestaltungsspielraum: Von beispielhaften Einzelrestaurierungen über Ausstellungen bis zur Entwicklung von "best practices" innerhalb von Einrichtungen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. 2020 vergrößert sich dieser Spielraum sogar noch, da die KEK-Modellprojektförderung erstmals seit 2010 wieder themenoffen sein wird. Abgesehen von den Volumina und dem geforderten Eigenanteil unterscheiden sich die beiden KEK-Programme auch durch die förderfähigen Maßnahmen. So sind z.B. Notfallvorsorge und Forschungsvorhaben aktuell nur in der KEK-Modellprojektförderung möglich. Viele der Expertinnen und Experten befürworten das Programm außerdem, weil es besonders für kleine Archive und Bibliotheken mit niedrigerem Budget so interessant ist.

Aktuelles aus der KEK

Nach intensiven Fachgesprächen während der Mittagspause folgten Berichte aus der KEK und den im Expertennetzwerk vertretenen Gremien. Für die KEK informierte Dr. Ursula Hartwieg über die aktuelle Personalsituation, die neue Geschäftsordnung des Fachbeirats und die geplante Überarbeitung des Konzepts der Koordinierungsstelle. Ein großes Projekt, das Diethard Kaiser den Expertinnen und Experten vorstellte, ist das KEK-Portal: Es wird nicht nur die zwei existierenden Websites der KEK ersetzen, sondern viele zusätzliche Features und Informationen bieten. So können z. B. über ein Suchtool alle von der KEK gesammelten Projektdaten aus elf Jahren gefiltert und visualisiert werden. Außerdem werden auf der Website Fachinformationen veröffentlicht. Ein Online-Magazin, in dem Berichte, Reportagen und Interviews erscheinen, macht das Thema Originalerhalt auch einem fachfremden Publikum zugängig. Ein derartiges Großprojekt braucht seine Zeit, deshalb wird das KEK-Portal voraussichtlich in mehreren Schritten ab dem 2. Quartal 2020 online gehen.

Christine Frick, Anna Haberditzl, Kristina Stöbener und Ursula Hartwieg
Zwischen den Programmpunkten blieb Zeit für Gespräche in kleiner Runde. Christine Frick, Anna Haberditzl, Kristina Stöbener, Ursula Hartwieg (von links). © KEK

Durch die erstmalige Unterzeichnung des BKM-Sonderprogramms wurden 2019 zusätzliche Gelder frei, die die KEK für die Vermittlung der Förderlinie nutzt: Dazu werden Eigenpublikationen erarbeitet, z. B. ein Rückblick auf die ersten drei Jahre des BKM-Sonderprogramms mit dem Titel "Originale Koordiniert Überliefern" und der KEK-Kalender 2020. Außerdem wird die KEK eine Sonderedition des Normenhandbuchs "Bestandserhaltung in Archiven und Bibliotheken" von Dr. Thorsten Allscher und Dr. Anna Haberditzl (Beuth Verlag, 6. Auflage 2019) und den Druck einer Neuauflage des "Ratgebers Bestandserhaltung" von Maria Kobold und Jana Moczarski (Hessische Historische Kommission et al., 3. Auflage 2019) finanzieren. Die Überarbeitung der Online-Ausgabe des Ratgebers wurde bereits in einem KEK-Modellprojekt 2019 gefördert. Beide Publikationen werden anschließend kostenlos an circa 1.000 kleinere Einrichtungen deutschlandweit verschickt.

Berichte aus den Fachgremien

Die Kommission Bestandserhaltung in der Sektion 4 des dbv vertrat beim VI. Bundesweiten Expertengespräch Dr. Michael Vogel. Für den Archivbereich berichteten Dr. Jens Metzdorf vom Stadtarchiv Neuss und Dr. Marcus Stumpf vom LWL-Archivamt für Westfalen aus dem Unterausschuss Bestandserhaltung der BKK. Dr. Johannes Kistenich-Zerfaß vom Hessischen Staatsarchiv Darmstadt fasste die wichtigsten Punkte aus der letzten Sitzung des Fachausschusses Bestandserhaltung der KLA zusammen. Anschließend kam es zu einem regen Austausch darüber, auf welche Themen man sich zukünftig in der spartenübergreifenden Zusammenarbeit konzentrieren wolle.  

Das Ende dieses Veranstaltungsteils markierte eine Personalie: Das Ausscheiden von Dr. Sebastian Barteleit aus dem Dienst im Bundesarchiv wurde von vielen Anwesenden mit Bedauern aufgenommen. Dr. Johannes Kistenich-Zerfaß dankte ihm stellvertretend für alle Expertinnen und Experten für die gute, einrichtungs- und disziplinübergreifende Zusammenarbeit. Er sei über die Jahre ein wichtiger Impulsgeber gewesen.

Zum Abschluss des VI. Bundesweiten Expertengesprächs bestärkten Prof. Dr. Mario Glauert und Dr. Michael Vogel die Expertinnen und Experten erneut darin, auch 2020 zahlreiche Förderanträge an die KEK zu stellen. Schließlich wollen die von der Politik bereitgestellten Gelder für die Bestandserhaltung auch ausgeschöpft werden. Genau diese praktische Projektarbeit – von der Restaurierung einer einzelnen Handschrift bis zur Entsäuerung vieler tausend Regalmeter Akten – ist es, die den gemeinschaftlichen Originalerhalt über die Grenzen einzelner Länder und Einrichtungen erst möglich macht.