Was tun, wenn's brennt?

Kulturgut ist auf vielfältige Weise bedroht. Der Brand der historischen Börse in Kopenhagen ist ein aktuelles, eindringliches Beispiel dafür. Aus dem brennenden Gebäude konnte eine der wichtigsten Kunstsammlungen des Landes gerade noch rechtzeitig durch den Einsatz von Sicherheitskräften und herbeigeeilten Passant·innen geborgen werden. Schriftgut, Gemälde, Skulpturen und Fotografien sind nun in einem Depot des dänischen Nationalmuseums untergebracht. Maßgeblich ist das dem Umstand zu verdanken, dass die geschulte Katastrophenmanagerin des dänischen Nationalmuseums für die Einsatzleitung hinzugezogen wurde und Notfallpläne und Bergungsorte vorhanden waren.
Ein Notfallplan ist das zentrale Element des allgemeinen Sicherheitsmanagements und legt fest, welche Maßnahmen im Falle von Katastrophen und anderen Schadensereignissen zu treffen sind. Jede Kulturerbeeinrichtung sollte einen solchen haben, damit diese Maßnahmen so schnell und geregelt wie möglich ergriffen werden können. Das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Frankfurt am Main sah sich spätestens angesichts multipler Krisen wie dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und möglichen Konsequenzen wie Energieknappheit, Stromausfällen und Angriffen auf kritische Infrastruktur mit der Frage konfrontiert, wie gut es auf Katastrophen vorbereitet ist.
Um zu ermitteln, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein bestimmter Schaden eintritt, und welche Auswirkung er hätte, sollte in einem KEK-Modellprojekt eine Risikoanalyse für eines der Depots des DFF, das Archivzentrum, erstellt werden. Denn erst wenn klar ist, wie die Gegebenheiten sind, lassen sich daraus gezielte Aussagen treffen und Maßnahmen ableiten. Der Titel des KEK-Modellprojekts, Risk(y) Business, war dabei eine Anspielung auf den gleichnamigen Film aus dem Jahr 1983. Tom Cruise spielt einen schüchternen Teenager, der auf ein Elite-College möchte und sich ständig Katastrophen ausmalt, die verheerende Konsequenzen für seine Zukunft hätten. In die Popkultur eingegangen ist sein ikonischer Tanz mit Sonnenbrille und auf Socken zu Bob Segers' Old Time Rock'n'Roll durchs sturmfreie Haus. Dank der Unterstützung in der KEK-Modellprojektförderung konnte eine Restauratorin beauftragt werden, um die Risikoanalyse fachlich zu begleiten. Sie sollte den Ist-Zustand bewerten und darauf aufbauend Strategien zu Maßnahmen der Abmilderung oder Abstellung potenzieller Gefahren erarbeiten.
Beim Archivzentrum handelt es sich um zwei Stockwerke in einem ehemaligen Bankgebäude, das sich das DFF seit 2019 mit einigen Abteilungen der nahegelegenen Goethe-Universität teilt. Ende 2018 begannen Umbaumaßnahmen, um die ehemaligen Büroräume auf Archivräume umzurüsten. Ein Lesesaal, in dem auch externe Veranstaltungen wie Workshops und Seminare stattfinden, wurde im ehemaligen Konferenzsaal der Banker eingerichtet. Unter den im Archivzentrum verwahrten Beständen sind Vor- und Nachlässe von über 200 Filmschaffenden aus allen Gewerken, z. B. die Archive der Filmregisseure Volker Schlöndorff und Rainer Werner Fassbinder, die dem deutschen Film ab den 1960/70er-Jahren wieder zu internationalem Ansehen verhalfen. Es finden sich (Papier-)Materialien zu verschiedenen Aspekten der Filmproduktion: Skizzen, Notizen, Treatments, Drehbücher, Dreh- und Finanzierungspläne, Storyboards, Kostüm- und Architekturentwürfe und vieles mehr.
Einer der wichtigsten und umfangreichsten Bestände ist das Archiv von Artur Brauner und der CCC (Central Cinema Company) Film Gesellschaft mbH. Brauner, der am 1. August 1918 im polnischen Łódz geboren wurde, überlebte den Holocaust in einem Versteck in der Sowjetunion. Der Großteil seiner jüdischen Verwandtschaft fiel dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer. 1946 gründete Brauner die Berliner CCC und etablierte sie bald als eine der erfolgreichsten deutschen Filmproduktionsfirmen, die bis heute unter Leitung seiner Tochter Alice Brauner aktiv ist. Ab 1949 entstanden in Berlin-Spandau nach und nach die Studios der CCC, in denen im Laufe der Jahrzehnte rund 700 Filme und unzählige TV-Produktionen gedreht wurden. In den 1950er- und 1960er-Jahren produzierte Brauner zahlreiche der großen Kassenerfolge des deutschen Films, wie die Winnetou- und Edgar-Wallace Reihen sowie Heimat- und Schlagerfilme mit Sonja Ziemann und Caterina Valente. Schon in einem seiner ersten Filme, "Morituri" (1948), thematisierte Brauner die jüngste deutsche Vergangenheit. Die Auseinandersetzung mit der Nazizeit und dem Holocaust blieb für ihn eine Herzensangelegenheit, von "Der 20. Juli" (1955) über "Die weiße Rose" (1982) und "Hitlerjunge Salomon" (1990) bis zu "Der letzte Zug" (2006). So entstanden über 20 "Filme gegen das Vergessen", die auch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem in der dortigen Artur-Brauner-Mediathek präsentiert werden.
Um den Ist-Zustand im Archiv zu erheben, wurde der SicherheitsLeitfaden Kulturgut (SiLK) zum nützlichsten Tool. Das SiLK-Projekt war eine Reaktion auf schwerwiegende Katastrophen Anfang der 2000er-Jahre wie dem Elbe-Hochwasser in Dresden und dem Brand in der Anna Amalia Bibliothek in Weimar, die Kulturgut massiv beschädigten. Auf der zugehörigen Website gibt es allgemeine Beschreibungen und Erklärungen zu den verschiedenen Schadensarten, weiterführende Links und Literatur, vor allem aber Fragebögen zu den verschiedenen Schadensarten, mit denen sich eine Institution selbst evaluieren kann.
Nach Ausfüllen des Fragebogens werden die Ergebnisse nach dem Ampelprinzip bewertet und Handlungsempfehlungen angezeigt, wobei "grün" die Erfüllung des Mindeststandards anzeigt und "rot" dringenden Handlungsbedarf signalisiert. Nicht nur meine eigene Expertise als Sammlungskuratorin, in deren Aufgabenbereich die Bestandspflege fällt, war hier gefragt. Besonders der Haustechniker des Gebäudes musste zur Beantwortung baulicher und technischer Gegebenheiten Input geben. Ergänzt wurden die Angaben des Fragebogens mit einer Zusammenstellung der bisherigen Erfahrungen mit den Schadensarten.
Alle Unterlagen wurden der Restauratorin Kathrin Sündermann überreicht, die eigene Daten ergänzte und eine Auswertung der Ergebnisse vornahm. Herausgekommen ist ein über 50-seitiger Bericht, den Sündermann in einem gemeinsamen Termin der Direktorin, dem kaufmännischen Leiter und den Archivar·innen, Kuratorinnen und Bibliothekaren des DFF vorstellte. Denn ein Ziel des Projekts war es, dass die Erkenntnisse auch den anderen Depots zugutekommen: Dazu zählen in Frankfurt das Museumsgebäude am Mainufer und die Bibliothek mit dem Textarchiv in der Deutschen Nationalbibliothek sowie in Wiesbaden das Film- und Bildarchiv.
"Die Umsetzung der Handlungsempfehlungen ist sicherlich nicht umgehend möglich, sondern wird Jahre in Anspruch nehmen", so Sündermann. Aber bereits sehr niederschwellige, einfache Maßnahmen könnten viel zur Schadensprävention beitragen. Es helfe z. B., Arbeitsabläufe zu verschriftlichen, Regelmäßigkeiten im Kalender einzutragen und Verantwortlichkeiten festzulegen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass auch unter großem Zeitdruck keine Details vergessen werden. Das KEK-Modellprojekt leistet damit erheblichen Anschub für ein Sicherheitskonzept für das gesamte Sammlungsdepot. Auf dieser Grundlage können nun Prioritäten in der Prävention und Abwehr von Risiken in einem Notfallplan festgehalten werden. Jetzt heißt es, am Ball bleiben!
Teaserbild © DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Frankfurt am Main/Artur Brauner-Archiv