Naturkatastrophen und Extremwetterlagen als Folgen des Klimawandels treffen immer häufiger auch unmittelbar Kultureinrichtungen. Eine Bewältigung derartiger Schadensereignisse ist allein auf lokaler Ebene meist nicht mehr möglich. Immer bedeutsamer wird daher eine überregional vernetzte Infrastruktur für den Kulturgutschutz mit entsprechender personeller und technischer Ausstattung.

Um in Bayern auf Großschadensereignisse besser vorbereitet zu sein, gründeten am 27. Juni 2024 führende bayerische Kultureinrichtungen in der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (GDA) den Notfallverbund Bayern. Erstunterzeichner der Vereinbarung sind die GDA, die Bayerische Staatsbibliothek, die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, das Bayerische Nationalmuseum, Archiv und Bibliothek des Erzbistums München und Freising, das Archiv des Erzbistums Bamberg, die Archäologische Staatssammlung sowie das Bundesarchiv für seine Einrichtung Lastenausgleichsarchiv Bayreuth.

Von den Kommunen ins Land

Der Notfallverbund Bayern ergänzt die bestehenden regionalen Notfallverbünde um eine überregionale Ebene. Bisher gibt es in Bayern aktive Notfallverbünde bereits an den Standorten aller Staatsarchive, also in Amberg-Sulzbach-Rosenberg, Augsburg, Bamberg, Coburg, Landshut, München, Nürnberg und Würzburg. Weitere lokale Verbünde sind in Gründung. Die im Notfallverbund Bayern zusammengeschlossenen Institutionen bündeln im Falle eines Großschadensereignisses ihre personellen, fachlichen und technischen Ressourcen, um unersetzliches Kulturgut vor Verlust und Zerstörung zu bewahren. Über den Erfolg einer Erstversorgung entscheiden die ersten 48 Stunden; nach dieser Zeit setzt erfahrungsgemäß bei nassen Objekten Schimmelbildung ein. Auch danach ist eine Bergung noch möglich, aber je zügiger richtig gehandelt wird, desto besser.

Screenshot Notfallkarte
Auf der digitalen Notfallverbundkarte im KEK-Portal lassen sich alle Verbünde in Bayern recherchieren. © KEK

Ziele des Notfallverbundes Bayern sind die Beschaffung und die Bereitstellung erforderlicher Großgeräte sowie ein regelmäßiger Übungsbetrieb. Im Schadensfall helfen Mitglieder des Verbunds bei der Bergung und Erstversorgung, die anschließende Weiterbearbeitung ist jedoch nicht Aufgabe des Notfallverbunds. Deshalb sollten möglichst große Einrichtungen gewonnen werden, die selbst Werkstätten betreiben bzw. regelmäßig eigene Großprojekte im Bereich der Bestandserhaltung betreuen. Die Einrichtungen verfügen so über die nötige Fachkompetenz, um im Katastrophenfall weitere Einsatzkräfte im fachgerechten Umgang mit zu bergendem oder bereits havariertem Kulturgut anzuleiten. Ebenfalls zentral für die Gründung war eine breite Kompetenzverteilung. Neben Archiven und Bibliotheken sind große Museen und mit der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen ein wichtiger, kompetenter Repräsentant kleinerer Museen vertreten. Ob Urkunde, Buch, Gemälde oder Skulptur: Für jede Art von Kulturgut sind Spezialist·innen mit an Bord.

Große Pläne für die Zukunft

Über die Aufbauhilfe 2021 unterstützt der Bund die 2021 von Hochwasser und Starkregen betroffenen Regionen beim Wiederaufbau und die dort beheimateten Kultureinrichtungen bei der Bewältigung entstandener Schäden. Aus den dafür bereitgestellten Mitteln werden insgesamt zehn Notfallcontainer mit Ausrüstung und Materialien für den Kulturgutschutz beschafft und für den bundesweiten Einsatz bereitgehalten. Neben Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wird Bayern Mittel hierfür abrufen. Übergeordnetes Ziel ist die Schaffung einer vernetzten Notfallinfrastruktur Kulturgutschutz, die auch überörtlich zusammengezogen werden kann.

Notfallcontainer
Der Kölner Notfall-Abrollcontainer hat bundesweit Vorbildfunktion. © Historisches Archiv der Stadt Köln

Für Bayern läuft derzeit die Fertigung eines Spezialcontainers nach dem Vorbild des bereits im Einsatz bewährten Abrollbehälters des Notfallverbunds Köln. Ab voraussichtlich Mitte 2025 steht dieser "Abrollcontainer Kulturgutschutz" an einem logistisch gut erreichbaren Standort im Raum München für den überregionalen Abruf über den Notfallverbund Bayern bereit. Die Alarmierung erfolgt über die Leitstellen der Feuerwehr; die finale Entscheidung, ob ein Anlass für eine Anforderung des Containers vorliegt, trifft der Notfallverbund Bayern. Über den Notfallverbund wird ebenfalls die Mannschaft des Containers – abgestimmt auf das jeweils betroffene Kulturgut – alarmiert.