Am 3. März 2018, genau neun Jahre nach dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln, schlossen sich die Trägerinstitutionen von insgesamt 24 Archiven und Bibliotheken im Stadtgebiet von Köln zum Notfallverbund Kölner Archive und Bibliotheken zusammen. Mit Unterstützung der Stadt Köln, die dieses Projekt im Rahmen der Verwaltungsreform maßgeblich förderte, konnte damit ein Prozess zum Abschluss gebracht werden, der schon vor dem Einsturz des Stadtarchivs angestoßen und in der intensiven fachlichen Zusammenarbeit nach der Katastrophe auch bereits gelebt worden war. Aber erst jetzt gab es die erforderlichen administrativen und rechtlichen Rahmenbedingungen, um proaktiv gemeinsam Vorsorge zu treffen und den Schadensfall zu trainieren.

Der Notfallcontainer als Gemeinschaftsprojekt

Der Notfallverbund verfügte zwar von Beginn an über eine Erstausstattung an Material und Schutzausrüstung für Rettungsteams, die mit Mitteln der Stadt Köln bereitgestellt wurden. In der Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr Köln, die diesen Aspekt des Kulturgutschutzes besonders ernst nimmt und intensiv mit den Gedächtnisinstitutionen kooperiert, entstand aber bald der Gedanke, dass für die Erstversorgung ein eigener "Abrollbehälter" sinnvoll sein könnte, der im Katastrophenfall nicht nur zum Materialtransport dient, sondern auch als ein mit der erforderlichen Technik ausgestattetes, (fast) autarkes und witterungsunabhängiges Erstversorgungszentrum fungieren kann.

Notfallcontainer
Der Container wird vom Einsatzfahrzeug der Berufsfeuer-wehr Köln "abgerollt". © Historisches Archiv der Stadt Köln

Diese ganz neue Idee wurde entwickelt, erste Vorschläge durch die Feuerwehr konkret weiterentwickelt. Somit konnten die Kosten geschätzt werden, die sich bei der Beschaffung des Abrollbehälters beim Sauerländer Spezialfahrzeugbauer Dünschede auf alles in allem ca. 140.000 Euro beliefen. Ein Eigenanteil der Mittel stand bei der Stadt Köln bereit, ein erfolgreicher Förderantrag bei der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) erbrachte weitere 40.000 Euro. Die teilnehmenden Institute außerhalb der Stadt Köln konnten gemeinsam noch einmal eine ähnliche Summe aufbringen und auch die Sparkasse KölnBonn beteiligte sich mit 10.000 Euro an den Projektkosten. Schließlich förderte der Landschaftsverband Rheinland die Ausstattung für die Notfalldokumentation noch einmal gesondert.

Am Ende des Projekts steht die Präsentation

Das Produkt dieser gemeinsamen Anstrengung wurde in mehreren Gesprächsrunden ausdefiniert und trotz Pandemie Anfang Oktober 2020 pünktlich an den Notfallverbund ausgeliefert. Eine Pressevorstellung des Notfallcontainers durch Oberbürgermeisterin Henriette Reker, den Vorsitzenden des Notfallverbundes, Dr. Ulrich Fischer, und Dr. Ursula Hartwieg von der KEK konnte noch am 7. Oktober 2020 erfolgen. Die für das darauffolgende Wochenende geplante öffentliche Vorstellung des Containers auf dem Kölner Heumarkt musste hingegen wegen der steigenden Inzidenzzahlen im Zuge der Corona-Pandemie abgesagt werden. Auch die geplante Vorstellung des Containers auf einer Fachtagung des Netzwerks KulturGutRetter konnte nur noch digital erfolgen. Trotz der Beschränkungen durch die Pandemie wurde mittlerweile die Ausstattung des Abrollbehälters Kulturgutschutz vervollständigt. Damit steht nun in Köln eine ganz neue Form von "Rettungsmittel" für den Kulturgutschutz bereit.

Notfallcontainer
Dr. Ursula Hartwieg, Leiterin der KEK, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln Henriette Reker und Dr. Ulrich Fischer, zul. Vorsitzender des Notfallverbundes, nahmen den Abrollbehälter am 7. Oktober 2020 in Empfang. © Historisches Archiv der Stadt Köln

Bei Katastrophen und Notfallsituationen der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, wie wichtig eine zielgerichtete, schnelle und zentral organisierte Erstversorgung von geschädigtem Kulturgut ist. Der einzigartige Abrollbehälter Kulturgutschutz wird genau diesen Anforderungen bei plötzlich eintretenden Havarie-Szenarien gerecht. Noch nie war die Erstversorgung so schnell möglich wie mit diesem Notfallcontainer. Untergebracht ist er bei der städtischen Berufsfeuerwehr, die die technische Betreuung und Wartung übernimmt. Tritt ein Notfall ein, kann der Container umgehend mit einem Lkw zum Einsatzort transportiert werden. Dort wird er an benötigter Stelle innerhalb weniger Minuten "abgerollt" und ist sofort einsatzbereit.

Was den Notfallcontainer besonders macht

Das Alleinstellungsmerkmal des Abrollbehälters ist eindeutig die Mehrfachfunktion, die er übernimmt, denn er ist Lagerraum und Arbeitsraum in einem. In ihm wird das gesamte notwendige Material aufbewahrt, das zur Einsatzstelle gebracht werden muss, und die notwendigen Geräte für die Erstversorgung sind bereits arbeitsergonomisch verbaut. Zur Ausstattung des Notfallcontainers gehören neben Wasser- und Abwasserleitungen auch eine Elektroverkabelung für Steckdosen, Licht und Geräte. Die Stromeinspeisung erfolgt wahlweise über ein festes Stromkabel von einem Hausanschluss oder über ein tragbares Notstromaggregat. Um die Strom- und Wasserversorgung kümmert sich die Feuerwehr am Ort des Geschehens. Des Weiteren sind Heizkörper installiert, die sich temperaturabhängig selbst regulieren. Der Container kann also zu jeder Jahres- und Tageszeit eingesetzt werden.

Archivarinnen im Notfallcontainer
Die Restauratorinnen Lisa Handke und Corinne Henderson demonstrieren die Arbeit an den verschiedenen Stationen im Notfallcontainer. © Historisches Archiv der Stadt Köln

Der Arbeitsraum im Inneren des 6,00 x 2,40 m großen Containers ist speziell auf die konservatorische Bearbeitung von Kulturgut ausgelegt und bietet bei einer Erstversorgung Platz für bis zu sechs Personen. Das geborgene Kulturgut durchläuft im Container mehrere Arbeitsschritte. Zunächst erfolgt die Erfassung des Schadens mittels digitaler Dokumentationssysteme an Notebooks sowie die fotografische Dokumentation an der Reproanlage. Anschließend kann direkt und ohne Zeitverzögerung mit der Vorreinigung und Aufbereitung verunreinigter Kulturgüter begonnen werden. Dafür sind Arbeitsplätze für die Trockenreinigung sowie Arbeitsbereiche mit Brausen und Wasserablaufsystemen für die Nassreinigung installiert. Durch Feuchtigkeit geschädigtes Kulturgut kann dann für das fachgerechte Einfrieren oder Lufttrocknen vorbereitet werden. Dafür sind Halterungen für Einstretchfolie angebracht. An den einzelnen Stationen kann parallel und ohne große Aufbauarbeiten zügig gearbeitet werden. Das breite Einsatzspektrum und die große Flexibilität machen den Notfallcontainer zu einem wichtigen Baustein im Notfallmanagement. Mit dem Abrollbehälter Kulturgutschutz ist eine geeignete, sofort vor Ort einsetzbare Infrastruktur für die ersten Schritte einer konservatorischen Versorgung des geschädigten Kulturguts gegeben. Er ermöglicht schnelles und effizientes Handeln im Notfall. Somit wird der hohe zusätzliche Aufwand für die Planung und Einrichtung einer eigenen Infrastruktur für eine Notfallintervention minimiert.

Nächste Schritte für den Notfall

Das Historische Archiv wird in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr der Stadt Köln erste Schulungen im Umgang mit dem Notfallcontainer für die Mitglieder des Notfallverbunds organisieren. Somit trägt er aktiv zur Verbesserung der städtischen Notfallversorgung bei. Mit dem innovativen Ansatz eines flexiblen und vollständig ausgestatteten Notfalleinsatzfahrzeugs möchte der Notfallverbund Kölner Archive und Bibliotheken auch einen Beitrag zur Verbesserung des Katastrophenschutzes auf nationaler und internationaler Ebene leisten. So fügt sich die Entwicklung des Notfallcontainers in Bestrebungen, den Schutz von einzigartigem Kulturgut als allgemeine Aufgabe zu verstehen, optimal ein.