Das Gleimhaus in Halberstadt beherbergt nicht nur das Museum der deutschen Aufklärung, in dem der beeindruckende Nachlass des Dichters und Sammlers Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803) lagert, sondern seit 2021 auch die Beratungsstelle Bestandserhaltung Sachsen-Anhalt. Deren Team ist informierend und vernetzend tätig, z. B. im Bereich der Notfallvorsorge. Die Leiterin des Gleimhauses Dr. Ute Pott erzählt im Interview, welche Fortschritte in den letzten zwei Jahren gemacht worden sind.

KEK: Mehr als 30 Gedächtniseinrichtungen im Landkreis Harz haben sich 2022 zu einem Notfallverbund zusammengeschlossen. Wie kam es dazu?

Ute Pott: Erste Notfallplanungen im Gleimhaus Halberstadt gehen auf das Jahr 2006 zurück. Damals haben wir uns mit anderen Einrichtungen der Stadt zusammengeschlossen, um gemeinsam Notfallmaterial zu erwerben und bei der Feuerwehr zu lagern (was durch Schadensereignisse mit Wasser und Feuer bereits mehrfach in Nutzung war). Auch eine Notfallübung fand statt. Der Wunsch bestand, im Hinblick auf Bestandserhaltung den Blick zu weiten. Im Jahr 2013 wurde als KEK-Modellprojekt eine Zustandserfassung der historischen Buchbestände im Landkreis Harz realisiert. Hierbei wurden alle Trägerschaften berücksichtigt. Im Ergebnis dieser Erfassung wurde mehrheitlich der Wunsch nach Gründung eines Notfallverbundes zum Kulturgutschutz befürwortet. Es gab zwei Versuche der Verbundgründung in den Jahren 2014 und 2017/18, die aus verschiedenen Gründen nicht zum Ziel führten. Im September 2021 wurde im Gleimhaus Halberstadt die Beratungsstelle Bestandserhaltung Sachsen-Anhalt eingerichtet, die Museen, Bibliotheken und Archive berät und Vernetzungsaktivitäten stärkt. Die Förderung der Stelle erfolgt durch das Land Sachsen-Anhalt. Die Beratungsstelle hat nun im dritten Anlauf die Gründung vorangebracht, so dass es am 30. November 2022 zur Unterzeichnung der entsprechenden Vereinbarung kam.

Wie ist der Notfallverbund aufgebaut und was gehört zu seinen wichtigsten Aufgaben?

Der Notfallverbund ist der erste Flächenverbund im Land Sachsen-Anhalt. Trägerübergreifend sind 14 Vertragspartner und dadurch 34 kulturelle Einrichtungen sowie die kirchlichen Sammlungen der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland und der Evangelischen Landeskirche Anhalt im Verbund zusammengefasst. Die Verbundgründung erfolgte in enger Abstimmung mit der Feuerwehr und dem Technischen Hilfswerk (THW). Ziel ist es zu sensibilisieren, Verhalten bei Schadensfällen zu üben, Notfallmaterial bereitzustellen, das Netz aktiver Helfer·innen für jede Einrichtung zu vergrößern und damit die Prävention zu verbessern.

Gruppenfoto Notfallverbund Harz
Impression von der Gründung des Notfallverbunds am 30. November 2022. © Gleimhaus – Museum der deutschen Aufklärung

Welche konkreten Schritte sind für die nächsten Monate geplant?

Die Ständige Arbeitsgruppe des Verbunds wurde am Gründungstag gewählt – sie bereitet den Arbeitsplan für die nächsten Monate vor. Vorgesehen sind der Aufbau der Kommunikation (untereinander und mit dem Katastrophenschutz) und einer Alarmierungskette sowie die Beratung der Einrichtungen, die einen Notfallplan erstellen oder einen vorhandenen den Festlegungen des Notfallverbunds entsprechend anpassen. Außerdem soll ein Förderantrag zur Anschaffung von Notfallmaterial vorbereitet und eine erste Notfallübung durchgeführt werden. Hinzu kommt die Öffentlichkeitsarbeit für die Tätigkeit des Verbunds.

Was muss in Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren passieren, damit alle Kommunen gut auf Notfälle vorbereitet sind?

Zuerst einmal muss Notfallvorsorge Chefsache (in den Verwaltungen und Kultureinrichtungen) werden. Außerdem sollten Kultureinrichtungen in den Krisenstäben vertreten sein. Grundsätzlich müssen die kulturellen Einrichtungen, ihre Träger sowie Feuerwehr und THW vor Ort in kontinuierlichen Austausch zur Notfallvorsorge geraten. Und nicht zuletzt ist die Gründung weiterer Notfallverbünde wichtig. Mit der Beratungsstelle Bestandserhaltung haben alle Einrichtungen, auch ohne Notfallverbund, erstmals einen Ansprechpartner sowohl in der Prävention als auch im Schadensfall. Das Angebot soll ausgebaut und in enger Zusammenarbeit mit den bestehenden Verbünden stetig weiterentwickelt werden. Auch länderübergreifend sollen Vereinbarungen getroffen werden, damit im Schadensfall schnell geholfen werden kann. Hier kann der Landkreis Harz mit der Grenze zu Thüringen und Niedersachsen erneut beispielhaft sein. Und natürlich braucht es am Ende auch Material und Logistik – hier streben wir einen engen Austausch und koordinierten Aufbau im Land an.

Extremwettereignisse stellen den Kulturgutschutz bundesweit vor neue Herausforderungen. Wie können wir uns alle besser wappnen?

Das Wichtigste ist der Haltungswandel bei allen handelnden Personen. Die "Beruhigung": "Es ist doch bisher nix passiert, das wird schon so bleiben" ist im höchsten Maß gefährlich. Das unermüdliche Schaffen von Öffentlichkeit für das Thema Notfallvorsorge sowie aktive Notfallverbünde sind zentrale Maßnahmen. Magazinräume sollten so optimiert werden, dass diese sowohl im Alltag gut funktionieren als auch in einem Schadensereignis das Kulturgut schützen. Hier ist in vielen Einrichtungen, auch im Gleimhaus, noch Verbesserungspotential.