Südlich von Kiel liegt das Adelige Kloster Preetz, ein ehemaliges Nonnenkloster aus dem 13. Jahrhundert. Zu dessen Kulturschätzen zählt die Predigerbibliothek mit heute 13.000 Bänden. Sie geht auf eine Stiftung des lutherischen Pastors Petrus Scheele (1623–1700) zurück; ihr Kernbestand umfasst wertvolle Handschriften, Inkunabeln und Atlanten aus dem 17. Jahrhundert. Ab 2012 bemühte sich das Kloster um die Sicherung der wertvollen Bibliothek, die am 11. April 2024 endlich wiedereröffnet werden konnte. Priörin Erika von Bülow (im Teaserbild links vorne) und ehrenamtliche Mitarbeiterin Dr. Abel Koch-Klose (zweite von links vorne) berichten im Interview von dem Großprojekt. 

KEK: Frau von Bülow, die Sicherung der Predigerbibliothek ist ein ebenso zeit- wie kostenintensives Projekt. Was gab den Anstoß zur Bearbeitung der Bände? 

Erika von Bülow: Den Anstoß, die Bibliotheksräume und die Bücher zu sichern, gab meine Vorgängerin Viktoria von Flemming. Sie hat die Einzigartigkeit dieser Bibliothek erkannt und sich zunächst mit kleineren Förderprojekten zur Aufgabe gemacht, die Bibliothek Schritt für Schritt zu sanieren, die Bücher zu restaurieren und damit langfristig zu sichern. Gemeinsam mit dem damaligen Klosterprobsten Eckhard Graf von Hahn hat Frau von Flemming dafür gesorgt, dass die Bibliothek nicht mehr hinter verschlossenen Türen bleibt, sondern der Öffentlichkeit zugänglich und über den Klosterhof hinaus bekannt wird. Als ich im Jahr 2018 das Amt der Priörin übernahm, legte mir Frau von Flemming ans Herz, diesen Weg weiter zu beschreiten. Ich sehe es als meine Pflicht als Priörin des Klosters Preetz, die Kunstschätze und Räumlichkeiten des Klosters zu schützen und für die kommenden Generationen zu bewahren.

Frau Dr. Koch-Klose, Sie haben das Projekt über die Jahre begleitet und sind mit dem Bestand vertraut. Was zeichnet die Predigerbibliothek aus? 

Dr. Abel Koch-Klose: Die Predigerbibliothek verfügt über seltene und eindrucksvolle Bestände, gesammelt von dem Theologen Petrus Scheele (1626–1700). Er hat besonders theologische Werke, erschienen während der Reformation, gesammelt. Luther, Melanchton, Osiander und Calvin sind mit fast allen ihren Schriften vertreten, aber auch die alten Kirchenväter wie Augustinus, Hieronymus und Thomas von Aquin. Länderbeschreibungen, Atlanten und Schrifttum aus Schleswig-Holstein und Skandinavien waren für ihn von Interesse. Die Sprache der von Scheele gestifteten Bücher war Latein oder Deutsch. An schöngeistigen Werken gibt es nur Gedichte von Simon Dach, den er aus seiner Königsberger Zeit kannte. Bedeutsam für die Bibliothek sind die Gelegenheitsschriften wie Glückwunschadressen oder Leichenpredigten, zusammengebunden in fast 20 Bänden. Diese sind ein besonderer Schatz der Bibliothek und bisher noch kaum erforscht. Nach Scheeles Tod wurden von dem Geld, das er hinterlassen hatte, Bücher erworben. Nun richtete sich der Schwerpunkt der Werke auf theologisch-philosophische Inhalte und Reisebeschreibungen. Die theologische Bibliothek verwandelte sich in eine Wissenschaftsbibliothek. Im 19. Jahrhundert wurde die "Preetzer Schulbibliothek" und der Bestand der "Preetzer Christlichen Lesegesellschaft" in die Predigerbibliothek übernommen.

Pergamenteinbände
Viele der Bände sind in Pergament gebunden und von Hand beschriftet. © Adeliges Kloster Preetz

Welche Erhaltungsmaßnahmen wurden umgesetzt und wie wird die angemessene Lagerung des Bestands gewährleistet? 

Dr. Abel Koch-Klose: Nachdem der Bibliotheksraum mit dem Bestand zuletzt 2018 begast worden war, fanden sich keine Schädlinge mehr. Ein großes Problem waren aber das feuchte Raumklima und die großen Temperaturunterschiede, da es keine Klimaanlage gab. Die großzügigen Geldmittel von Bund und Land machten es ab 2020 möglich, eine grundlegende Sanierung des Bibliotheksraums, der sich in einem Gebäude aus dem 14. Jahrhundert befindet, durchzuführen. Der heutige Bibliotheksraum wurde um 1710 gebaut und ist nahezu unverändert. Im Rahmen der Sanierung wurde eine Heizung eingebaut und das Eindringen von Feuchtigkeit durch Reparatur des Mauerwerks sowie Einbau von zusätzlich dicht schließenden Fenstern gebremst. Eine automatisch arbeitende Anlage garantiert jetzt eine für die Bücher optimale, gleichbleibende Feuchtigkeit und Temperatur. Ein Dienstleister hat alle Bücher gesäubert, getrocknet und kleinere Schäden beseitigt. Schwer geschädigte Bücher sind übriggeblieben, sie werden nach und nach mit Mitteln des Fördervereins der Bibliothek restauriert werden.

Ein besonderer Moment war der unerwartete Geldsegen im Herbst 2020. Wie kam es dazu und welche Bedeutung hatte er für das Projekt? 

Erika von Bülow: Durch die ehrenamtliche Arbeit von Frau Dr. Koch-Klose und dem 2019 gegründeten Verein der Freunde der Predigerbibliothek im Kloster Preetz e. V. war es möglich, die Bibliothek einem größeren Publikum vorzustellen. Wir haben Führungen und Vorträge organisiert und uns an Personen aus der Kommunalpolitik gewendet. Die damalige Abgeordnete des Bundestags Melanie Bernstein hat sich seit vielen Jahren stark für das Kloster eingesetzt und sich in Haushaltsgesprächen im Bundestag mit der Unterstützung von Frau Elisabeth Motschmann (ebenfalls MdB) für eine Förderung der Predigerbibliothek stark gemacht. Mit Erfolg! Für uns war es eine unglaubliche Überraschung, da wir niemals mit solch einer großzügigen Fördersumme gerechnet hätten. Dank dieser Förderung, die aus Bundes- und Landesmitteln bestand, konnten wir endlich den Bibliotheksraum sanieren und klimatisieren und die Bücher in einem Zuge restaurieren lassen. Ohne diesen Geldsegen hätten wir noch sehr viele Jahre gebraucht, um auch das letzte Buch vor der Feuchtigkeit im Raum zu retten.

historisches Druckwerk
Zum Bestand gehört z. B. eine Sammlung der Predigten Martin Luthers (1483–1546). © Adeliges Kloster Preetz

Was bedeutet die Predigerbibliothek Ihnen beiden ganz persönlich? 

Dr. Abel Koch-Klose: Meine Berufstätigkeit begann ich 1969 als Leiterin der Leibniz-Forschungsbibliothek an der Landesbibliothek Hannover. Nach einem Wechsel unserer Familie nach Kiel war ich 36 Jahre an der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften in Kiel tätig. Ein Wechsel, wie er größer für eine Historikerin nicht hätte sein können! Nach meiner Pensionierung bot sich eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Predigerbibliothek an, für mich ein wahrer Traum. Jeder Tag in der Bibliothek bringt neue Überraschungen, da es selbst nach einer 15jährigen Tätigkeit dort unmöglich ist, alle Schätze entdeckt zu haben. Eine besondere Aufgabe und Bereicherung sind die Führungen. Jedes Mal lerne ich etwas. Interessierte Besucher mit ihren Fragen und ihrem Staunen über die kolorierten Atlanten, die eindrucksvollen Blumenabbildungen, Wiegendrucke und Erstausgaben von Luthers Werken sind eine Freude. Aber es wartet nach der Rückkehr der Bücher aus Leipzig noch viel Arbeit auf mich, die ich nicht missen möchte. Ich bemühe mich, einem Nachfolger irgendwann eine wohlgeordnete Bibliothek zu übergeben.

Erika von Bülow: Die Predigerbibliothek ist für mich ein magischer Ort im Adeligen Kloster Preetz. Die barocke Galerie, die großen Fenster im gotischen Stil, jede Wand voll mit alten Büchern: Er strahlt eine besondere Ruhe und Würde aus. Ich komme gerne hierher, stöbere in den alten Büchern und finde jedes Mal ein neues Werk, welches mich für einige Zeit aus dem Alltag entführt. Darüber hinaus ist sie eine Gelehrtenbibliothek, die viele historische und wertvolle, teilweise sehr seltene Bände beinhaltet. Sie ist ein ganz besonderer Schatz des Klosters.