Von Papyrus bis Pergament: Vieler Materialien bediente man sich im Alten Ägypten als Beschreibstoffe. "Auch auf einfachen Tonscherben, sogenannten Ostraka, fanden Forscherinnen und Forscher viele Aufzeichnungen, beispielsweise Abrechnungen über Arbeitslöhne, Quittungen für Steuern, aber auch die Schreibübungen junger Schreiber", erzählt Dr. Almuth Märker, Kustodin der Leipziger Papyrus- und Ostrakasammlung. Konserviert im ägyptischen Wüstensand sind heute zahlreiche antike Beschreibmaterialien erhalten. Aufbewahrt werden sie auch in vielen deutschen Institutionen, von denen die Sammlung der Universitätsbibliothek Leipzig nach Berlin, Köln und Heidelberg mit rund 5.000 Objekten eine der größten ist.

Eine Fülle an Beschreibstoffen

Neben Griechisch, der späteren Verwaltungssprache des Alten Ägyptens, befinden sich in Leipzig auch koptische, hieratische, demotische, lateinische und arabische Schriftstücke. Den Hauptteil der Leipziger Sammlung machen dabei ca. 3.500 Papyrusfragmente aus, dazu die erwähnten Tonscherben (ca. 1.600 Ostraka). Außerdem wurden andere genutzte Beschreibstoffe wie Pergament, Holz und textile Materialien gesammelt. Einzelne antike Schreibfragmente gelangten bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts nach Leipzig, offiziell begann man ab 1902 mit dem Aufbau der Papyrus- und Ostrakasammlung.

Almuth Märker
Dr. Almuth Märker, Kustodin der Leipziger Papyrus- und Ostrakasammlung. © Swen Reichhold

Das berühmteste Stück der Sammlung, beschrieben mit schwarzer und roter Tinte, ist in hieratischer Schrift verfasst, eine von Priestern verwendete Vereinfachung von Hieroglyphen: Der Papyrus Ebers ist ein fast 3.500 Jahre altes Lehrbuch der altägyptischen Heilkunde. Benannt nach seinem Herausgeber, dem Leipziger Ägyptologen Georg Ebers (1837–1898), misst die komplette Rolle fast 19 Meter. 1873 wurde der noch aufgerollte Papyrus mit 879 Einzeltexten vollständig an Ebers verkauft. "Er bestand, als wir ihn erwarben, aus einem einzigen fest zusammengerollten Stücke des feinsten gelbbraunen Papyros. Seine Höhe beträgt 20 Centimeter, die Länge des beschrieben Theils 20,23 Meter. Kein anderer Papyros ist besser erhalten wie er, dem kein Buchstabe fehlt [...]", schrieb Ebers in seiner ersten Publikation über den Papyrus 1875.

Der Ägyptologe stellte zahlreiche Mutmaßungen über die Herkunft an und gibt uns damit heute einen Einblick in den problematischen Handel mit Papyri vor dem Hintergrund der kolonialen Besetzung Ägyptens durch die Engländer. Stammt der Papyrus, wie vom ursprünglichen ägyptischen Verkäufer angegeben, aus einem Grab bei Theben? Oder handelt es sich um ein  Objekt aus einer geretteten Tempelbibliothek? Die Gemengelage des schwunghaften Ausverkaufs der Kulturgüter ließ Ebers vermuten, dass Provenienzen nach Belieben erfunden, verschwiegen und verschleiert wurden. "Nach seinem Kauf übergab Ebers die Rolle 1873 an die Leipziger Universitätsbibliothek, wo sie zur Hauptquelle unserer heutigen Erkenntnisse über das ägyptische Heilwissen zur inneren Medizin wurde", erklärt Almuth Märker.

Krankheitsbilder am laufenden Meter

Ob Herzleiden, Gynäkologisches, Darmprobleme, Parasiten oder Augenkrankheiten – detailliert schildern die Verfasser des Papyrus 80 Krankheitsbilder. Empfohlene Behandlungsmethoden beruhen sowohl auf empirischen Erkenntnissen als auch auf magischen Sprüchen. "Es handelt sich um einen wunderschönen, ebenmäßigen Papyrus von gelbbrauner Farbe. Die Qualität des Objekts ist wirklich herausragend", erzählt Märker. Damit Ebers sie bei der Bearbeitung nicht immer auf- und abrollen musste, ließ er die Rolle, die ursprünglich aus 48 zusammengeklebten Einzelpapyri bestand, in 29 Teile zerschneiden und verglasen. Ein Faksimile des Papyrus mitsamt wissenschaftlichen Ausführungen von Ebers erschien 1875 in zwei Bänden.

Papyrus Ebers
Die zweite Tafel des Papyrus Ebers enthält Rezepte gegen Beschwerden im Bauchraum. © Universitätsbibliothek Leipzig

Finanziell ermöglicht wurde der Aufbau der Leipziger Papyrus- und Ostrakasammlung ab 1902 durch drei Institutionen: das sächsische Ministerium für Kultus und öffentlichen Unterricht, die Königlich Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften und die Verwaltung der Albrechtstiftung zu Leipzig. Aber auch Zuwendungen des bedeutenden Althistorikers Theodor Mommsen flossen in den Aufbau der Sammlung. Der 1902 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnete Altertumswissenschaftler ermöglichte durch eine Spende aus seinem Preisgeld Ankäufe für die Sammlung.

Die Papyri gelangten daraufhin zu großen Teilen durch Aktivitäten des Papyruskartells nach Leipzig. In den 1990er- und 2000er-Jahren erschlossen und digitalisierten Projekte, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die ca. 5.000 Stücke der Sammlung. So ist sie heute im Papyrus-Portal für jeden öffentlich zugänglich. Basierend auf Forschungsergebnissen des KEK-Modellprojekts zu Salzkristallen an Papyrusverglasungen werden in der Restaurierungswerkstatt der Universitätsbibliothek Leipzig derzeit rund 2.100 Stücke der Sammlung mit Unterstützung der KEK neu verglast.