Wer kennt sie nicht? Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin-Charlottenburg, die Anhalter-Bahnhofsruine in Berlin-Kreuzberg, die heutige Kulturbrauerei in Berlin-Prenzlauer Berg, die Apostel-Paulus-Kirche in Berlin-Schöneberg, die Hohenzollernbrücke in Köln oder auch das Residenzschloss in Poznań. Diese und viele weitere imposante Bauwerke entwarf der Architekt Franz Schwechten (1841–1924) für staatliche, kirchliche und private Auftraggeber und prägte damit ein stückweit das Antlitz Berlins und anderer Städte in Preußen.
Schwechten, der als prägnantester Architekt der Wilhelminischen Ära gilt, wirkte zudem als Professor an der Technischen Hochschule Charlottenburg, als königlicher Baurat und zwischen 1915 und 1918 auch als Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Sein Einfluss als baulicher und künstlerischer Gestalter reichte weit über seine ikonischen Bauwerke hinaus. Nach seinem Tod am 11. August 1924 gelangte der Großteil seines nachgelassenen Architekturateliers in Räume der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Hierzu zählten tausende Entwürfe, Bauzeichnungen, Aquarelle, Fotografien, aber auch fachliches und administratives Schriftgut. Als die Kirche im November 1943 bei einem Luftangriff getroffen und weitgehend zerstört wurde, blieben die Schwechten-Pläne noch lange unter ihren Trümmern liegen und konnten erst nach dem Krieg geborgen werden.
Rettung aus den Trümmern der Gedächtniskirche
Im Jahr 1950 übergab die evangelische Kirchengemeinde der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche die aufgefundenen Unterlagen schließlich zur fachgerechten Aufbewahrung an das Geheime Staatsarchiv, das damals als "Berliner Hauptarchiv" fungierte. Als Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) bewahrt es noch heute den Nachlass des berühmten Architekten. Der Erhaltungszustand des Materials, das einige Jahre unter Trümmern gelegen hatte, war begreiflicherweise miserabel. Jede Einsichtnahme stellte eine Gefahr dar. Das GStA PK nahm darum den anstehenden 100. Todestag Schwechtens zum Anlass, um mit Fördermitteln des BKM-Sonderprogramms 2020/2021 sowie erheblichen Eigenmitteln die rund 5.500 Pläne zu reinigen, zu restaurieren und neu zu verpacken. Dies dient ihrem Schutz, ermöglicht aber auch, dass sie schadlos genutzt und perspektivisch digitalisiert werden können.
Die Architekturpläne des Ateliers Franz Schwechten bestehen aus den unterschiedlichsten Materialien und Abbildungstechniken. Es finden sich Papier, Karton, Transparentpapier, verschiedene Lichtpausverfahren, aber auch Aquarelle, Fotografien und vieles mehr. Die Pläne wiesen zum Teil erhebliche Schäden wie Verschmutzung und Schimmelbefall oder auch mechanische Schäden durch die Lagerung und Nutzung ohne Mappen auf. Risse und Fehlstellen an einem Großteil des Bestands, vor allem an den fragilen Transparentpapieren, beeinträchtigten die Nutzung erheblich und ließen außerdem einen Informationsverlust erwarten. Besonders betroffen waren zahlreiche Pläne in Überformaten (größer als A0).
Erst kommt die Reinigung, dann die Restaurierung
Mit der Restaurierung der Objekte wurde die Berliner Restauratorin Susanne Grzimek beauftragt. Sie und ihr Team reinigten zunächst die Oberfläche jedes Plans vorsichtig mit einem Latexschwamm, was ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Feingefühl erforderte, um ein Einreißen der Papiere zu vermeiden. Besonders achtgeben mussten sie auf das fragile Transparentpapier sowie darauf, feine Bleistiftzeichnungen nicht versehentlich mit zu entfernen.
Um den transparenten Charakter der Pläne nicht zu beeinträchtigen, erfolgte die Rissschließung an Transparentpapieren mit einem klebstoffbeschichteten, wärmeaktivierbaren Japanpapier, das über Wärmeaufwand (max. 80 Grad) mit einem Heizspatel aufgebracht wurde. Grzimek und ihr Team führten die Rissschließung dabei möglichst auf der schriftfreien Seite aus. Wenn größere Stellen fehlten, wurden die Ergänzungsmaterialien an deren Konturen angepasst, insbesondere im Schriftbereich. Ergänzungen im Transparentpapier führten die Restaurator·innen als Intarsien aus, die mit dem beschichteten Japanpapier aufgebracht wurden. Das typische Erscheinungsbild wird so am wenigsten gestört. Zudem verhindert die Verwendung des beschichteten Japanpapiers Wellenbildung im Transparentpapier, da keinerlei Feuchtigkeit bei der Rissschließung verwendet wird. Risse an Plänen aus Velinpapier dagegen wurden mit Japanpapier und Weizenstärkekleister geschlossen.
Endlich sach- und fachgerecht gelagert
Anschließend erfolgte das Planlegen der Transparentpapiere in einem sogenannten Goretex-Sandwich. Das Transparentpapier darf dabei nur kurz befeuchtet werden, weil das sehr kurzfaserige Material beim Trocknen einreißen würde. Durch gezielte Befeuchtung wurde das Material geglättet, vorhandene Knicke reduziert und unter Gewichten kontrolliert getrocknet. Nach einer Ruhephase waren die Pläne dann gleichmäßig plan und bereit zur Neuverpackung in Umschläge aus säurefreiem Papier, die wiederum – je nach Größe – in Konvoluten in Kartenmappen zusammengefasst wurden.
Im Magazin des GStA PK lagern die Schwechten-Pläne nun in eigens dafür angeschafften Planschränken. Die Überformate, die zu groß für die Schranklagerung waren, rollte Susanne Grzimek auf chemisch langzeitstabile Pappkerne, die in großen Stülpdeckelboxen verwahrt werden. Da sich bis zu zehn Pläne auf einer Rolle befinden, was eine Aushebung erschwert, wurden einige der überformatigen Pläne bereits parallel zum Projekt digitalisiert. Dies soll nun weitergehen, damit Nutzer·innen in der Regel mit dem Digitalisat arbeiten und die Originale geschont werden können.