So verheerend der Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB) am 2. September 2004 auch war, so beeindruckend sind die seitdem erreichten Erfolge im Umgang mit den entstandenen Schäden. Während des Brands wurden 50.000 Bücher zerstört, doch eine weitaus größere Menge konnte mit teilweise schweren Schäden durch Feuer, Hitze und Löschwasser gerettet werden. Die Bibliothek stand vor der Aufgabe, insgesamt 118.000 Bücher restauratorisch behandeln zu müssen. Hierzu gehören 25.000 schwer beschädigte Buchfragmente, die unmittelbar aus dem Brandschutt geborgen wurden. Durch das Löschwasser ist das Papier meist aufgequollen, die Blätter sind stark verkohlt und mit Ascheschichten umhüllt, weshalb diese Exemplare auch "Aschebücher" genannt werden.

Restaurierung und Forschung gehen Hand in Hand

Einbandschaden
Ein beschädigter Seideneinband aus dem Bestand der HAAB. © Klassik Stiftung Weimar

Die Mammutaufgabe bewältigte die Bibliothek zum einen durch ein Netzwerk aus Restaurierungswerkstätten in ganz Europa, in dem die einbandgeschädigten Bücher dezentral behandelt wurden. Zum anderen widmete sich die HAAB der Erforschung neuer Mengenverfahren zur Restaurierung stark beschädigter Papiere. Zu diesem Zweck wurde 2008 die bundesweit erste Restaurierungswerkstatt für brandgeschädigtes Schriftgut eingerichtet und in der Folge eine enge Kooperation mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim (HAWK) begonnen. Diese Zusammenarbeit bildete die Grundlage für ein von der KEK gefördertes Projekt, das sich der Erforschung von Verfahren für die Restaurierung von beschädigten Gewebebänden widmet. Aus dieser wissenschaftlichen Annäherung an Materialien und Verfahren und der Einbeziehung von Studierenden ist an der Fakultät Erhaltung von Kulturgut der HAWK eine Masterarbeit entstanden. Das Brandfolgenmanagement der HAAB führte über die Jahre zu einer einzigartigen Expertise im Umgang mit großen Mengen von restaurierungsbedürftigen Büchern. In einem Förderprojekt der KEK widmeten sich Expertinnen und Experten beispielsweise speziell der Konservierung von Seideneinbänden. Die Arbeitsergebnisse dieses internationalen Netzwerks stehen nachhaltig dokumentiert anderen Bibliotheken mit ähnlichen Schadensbildern zur Verfügung. Rund 15 Jahre nach dem Brand kann die Bibliothek eine positive Bilanz der Restaurierungsarbeiten ziehen. So konnten von den 118.000 Bänden bis heute alle Bücher mit beschädigten Einbänden restauriert werden. Von den geborgenen Aschebüchern wurden von 2008 bis 2018 über 800.000 Blatt erfolgreich behandelt, was einem Fortschritt von über 50% der insgesamt zu bearbeitenden Menge von 1,5 Mio. Blatt entspricht.

Nach der Forschung kommt die Lehre

Auch aktuelle Förderprojekte der KEK an der HAAB lassen sich als Folge dieser erfolgreichen Erprobung nachhaltiger Mengenbehandlung verstehen. So wurde 2018 ein integrierter Prozessablauf für die Verpackung der Pflichtexemplare Thüringer Verlage umgesetzt, damit auch Bände dauerhaft erhalten werden, die zwar vom Feuer verschont wurden, aber durch säurehaltige Materialien bedroht sind.

Bücher
Ausgewählte Pflichtexemplare Thüringer Verlage. © Klassik Stiftung Weimar

Den engen Austausch von Forschung, Lehre und restauratorischer Praxis möchte die Bibliothek nun verstetigen. Am 22. Mai 2019 erweitert die HAAB ihre Restaurierungswerkstatt zu einer Akademischen Lehrwerkstatt, in der Studierende der HAWK während ihres Studiums an Restaurierungsarbeiten beteiligt werden. Damit hat der Katastrophenfall des Brandes an der HAAB als positive Folge ein spezialisiertes Fachzentrum hervorgebracht, von dessen Wissen andere Einrichtungen und zukünftige Restaurierungskräfte profitieren können.