Als Historikerin verbrachte ich in den vergangenen Jahren viel Zeit in Landes- und Stadtarchiven des mitteldeutschen Raums. Dabei wurde mir mitunter auch die Ausgabe einer Akte mit dem Hinweis auf ihren derzeit schlechten Erhaltungszustand verwehrt. Schimmel, starke Verschmutzungen oder ältere unsachgemäße Restaurierungsversuche hatten dem jahrhundertealten Papier derart schwer zugesetzt, dass eine Benutzung nicht mehr möglich war. Mit etwas Glück konnte ich zu einem späteren Zeitpunkt auf eine gereinigte und restaurierte Akte oder ein Digitalisat zurückgreifen und so ein noch fehlendes Puzzleteil zu meiner Forschung hinzufügen. Dass der Erhalt von gefährdeten Originalen keine Selbstverständlichkeit ist und wie groß die damit verbundenen Herausforderungen für viele kleine Gedächtniseinrichtungen in Stadt und Land tatsächlich sind, wurde mir erst während meines vierwöchigen Praktikums in der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) bewusst: Nicht selten ist die Einwerbung von Landes- und Bundesmitteln für Archive und Bibliotheken die einzige Möglichkeit, um die eigenen Bestände langfristig erhalten und so für die Forschung zugänglich machen zu können. 

Zwischen Theorie und Praxis

Das Praktikum in der KEK absolvierte ich im Sommer 2024 im Rahmen meines Bibliotheksreferendariats an der Staatsbibliothek zu Berlin. Obwohl beide Institutionen eine gemeinsame Adresse haben und auch institutionell miteinander verwoben sind, gestaltete sich mein Einblick in das Thema Originalerhalt ganz verschieden: Im Referendariat lerne ich die Staatsbibliothek mit ihrer Vielzahl an Beständen, Abteilungen und einer kaum überschaubaren Fülle an Aufgaben umfassend kennen. Dabei spielt der Bereich Bestandserhaltung allerdings nur eine kleine Rolle, wenngleich ich bei meinen Wegen durch die zwei Häuser der Bibliothek immer wieder an den Restaurierungswerkstätten und vor allem an Unmengen alter und kostbarer Bücher vorbeikomme. Im Praktikum in der KEK konnte ich hingegen thematisch tief in den Originalerhalt von historischen Beständen eintauchen – dabei hielt ich nie auch nur ein einziges altes Buch in der Hand! Und doch ergaben sich gerade durch diese Perspektive vielfältige Anknüpfungspunkte an meine Ausbildung im Referendariat: Sowohl an der Staatsbibliothek als auch in der KEK geht es nicht um den praktischen Einzelfall, es sind vielmehr organisatorische und koordinierende Aufgaben, die ich schwerpunktmäßig kennenlerne und die mich auf meine Tätigkeiten als wissenschaftliche Bibliothekarin vorbereiten sollen. Wie ich schnell verstand, koordiniert die KEK jedoch weit mehr als Fördermittel.

Säurefraß
Durch Säure beschädigter Zeitschriftenband aus der Staatsbibliothek zu Berlin. Foto © Staatsbiliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Jörg F. Müller

Dass die KEK jährlich finanzielle Mittel für konservatorische Maßnahmen an Einzelstücken und ganzen Beständen bereitstellt, war mir bereits vor meinem Praktikum bekannt. Schließlich ist die Staatsbibliothek selbst regelmäßige Antragstellerin bei der KEK, um beispielsweise die kostenintensive Entsäuerung von unikalen Druckschriften finanzieren zu können. Bisher weniger geläufig war mir das umfangreiche Rahmenprogramm, welches das Team der Koordinierungsstelle zusätzlich stemmt. Originalerhalt koordinieren heißt bei der KEK auch Fachwissen zusammentragen und digital aufbereiten, Notfallhilfe verbessern sowie institutionell und regional übergreifende Gesprächs- und Beratungsnetzwerke ins Leben rufen und deren Austausch befördern. Mein Praktikum absolvierte ich in einer dynamischen Phase des KEK-Jahresablaufs: Gleich nach Beginn erging die Nachricht, dass die Fördermittel für das Jahr 2024 bereitstanden und die zuvor vom KEK-Fachbeirat sorgsam ausgewählten Projekte über eine Zusage informiert werden konnten. Pressemeldungen und Informationen zu einzelnen Projekten wurden erstellt. Zugleich begannen die Vorbereitungen für die nächste Antragsrunde, für die es Formulare und Informationsveranstaltungen vorzubereiten galt. Rückmeldungen zum kürzlich versandten Jahresbericht wurden ausgewertet und zugleich ein Konzept für den nächsten Bericht erarbeitet. Ob Verwaltungsaufgaben oder Wissenschaftskommunikation, in alle Themen gab mir das KEK-Team bereitwillig Einblick, sodass ich mich nach Belieben einbringen und mein Wissen erweitern konnte. Fasziniert stellte ich in diesem Zusammenhang fest, wie in der KEK ein dichtes, gut aufeinander abgestimmtes und vor allen Dingen wirkungsvolles Netz an Maßnahmen und Vermittlungskanälen entstanden ist, das weit über den Einzelfall hinausreicht.

Eine zentrale Ansprechpartnerin für den Originalerhalt

Ich sitze nun nicht mehr selbst als Historikerin im Lesesaal, sondern bin als angehende wissenschaftliche Bibliothekarin für die Gewährleistung guter Services für andere Forschende verantwortlich. Dabei gehört es in einer historischen Bestandsbibliothek genauso wie im Archiv dazu, den Erhaltungszustand wertvoller Originale vorausschauend im Blick zu behalten und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um Forschung an den Beständen zu ermöglichen. Erst danach können weitere Serviceangebote wie beispielsweise die Digitalisierung von Objekten fachgerecht und ohne Risiken für die kostbaren Bücher und Akten umgesetzt werden. Mit der KEK habe ich in meinem Praktikum eine zentrale Ansprechpartnerin kennengelernt, die nicht nur Fördermittel für den Originalerhalt koordiniert, sondern auch Fachwissen rund um die strategische Planung und konkrete Umsetzung von Bestandserhaltungsmaßnahmen vermittelt. Sollte ich in meinem weiteren Berufsleben als Bibliothekarin einmal mit Fällen von Tintenfraß, Schimmel oder säuregeschädigtem Papier zu tun haben, weiß ich nun, an wen ich mich wenden kann – nicht erst und ausschließlich dann, wenn Fördermittel für einen konkreten Fall benötigt werden.