Akten zur europäischen Auswanderung, Chroniken zum Dreißigjährigen Krieg oder Urkunden zur norddeutschen Hanse: Das schriftliche Kulturgut in Archiven und Bibliotheken Deutschlands legt vielfach Zeugnis ab von Verbindungen und Verflechtungen in Europa und darüber hinaus. Im Jahr 2018 hat das Europäische Kulturerbejahr unter dem Motto Sharing Heritage die Verbindungslinien im Kulturgut über eine Vielzahl von Aktionen und Veranstaltungen sichtbar gemacht. Archive und Bibliotheken haben in zum Teil jahrhundertealten Überlieferungen Spuren zur europäischen Kulturgemeinschaft aufgedeckt und neu erkennen lassen. Die KEK hat "Sharing Heritage" zum Anlass genommen, Highlights aus den Projektförderungen unter der internationalen Perspektive in einem Fotokalender zu versammeln. Der Kalender ist in Kooperation mit dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK) entstanden, das die Ausrichtung des Europäischen Kulturerbejahrs in Deutschland federführend übernommen hatte.

Erinnerung heißt auch Verantwortung

Eine beeindruckende Geschichte erzählt das Objekt des März-Kalenderblatts: Es zeigt einen braunen Koffer, der bis an den Rand gefüllt ist mit gefalteten Blättern. Das Gepäckstück gehörte dem Schriftsteller Walter Meckauer (1889–1966), der bereits in der Weimarer Zeit bekannt war als Verfasser zahlreicher Romane und Theaterstücke. Im Koffer sammelte er Beobachtungen, Eindrücke und Erlebnisse, auf die er immer wieder im Schreiben zurückgriff. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten musste Meckauer fliehen. Den Koffer hat er ins Exil retten können. Auf allen Stationen durch die Schweiz, Italien, Frankreich und Amerika hat ihn seine Manuskriptsammlung als Archiv und Inspirationsquelle begleitet.

Briefkoffer
Knapp 3.000 Einzelblätter hat Walter Meckauer im Koffer zusammengetragen. © Deutsche Nationalbibliothek, Bärbel Kaiser

Seit 2015 wird der Koffer als außergewöhnliches Erinnerungsstück im Deutschen Exilarchiv in Frankfurt am Main aufbewahrt. Die Erhaltung einzigartiger Schriftzeugen macht es möglich, dass wir uns weiterhin vielfältige, beeindruckende und über Grenzen hinausreichende Geschichten erzählen können. Dem Originalerhalt kommt in Erinnerungskontexten eine Kernfunktion zu, folglich ist die Fachaufgabe mit einer hohen Verantwortung verbunden. Im Jahr des KEK-Jubiläums werden zentrale Fragen rund um den Originalerhalt im Rahmen einer internationalen Veranstaltung aus mehreren Blickwinkeln erörtert. Die Konferenz "Originalerhalt in Perspektive" wird am 23. und 24. November 2021 in der James-Simon-Galerie in Berlin u. a. zu den Themen Nachhaltigkeit, Klimawandel, Risikomanagement, Digitalisierung oder länderübergreifende Kooperation internationalen Austausch ermöglichen – und zeigen, dass Originalerhalt keine Grenzen hat.