Noch 1947 befanden sich rund 704.000 Displaced Persons (DPs) in Flüchtlingslagern in Deutschland, Italien, Österreich, Großbritannien und der Schweiz. Für die Betreuung der Geflüchteten war die International Refugee
Organization (IRO) zuständig, eine Vorgängerinstitution des International Tracing Service (ITS). Bei ihr konnten ehemalige Häftlinge von Konzentrations- und Zwangsarbeiterlagern Antrag auf Emigrationshilfe stellen, wenn sie nicht in Deutschland bleiben oder in ihre Heimat zurückkehren wollten. Diese Anträge mit der Bezeichnung
CM-1 ("CM" für Care and Maintenance und "1" für die Nummer des Formulars) sind heute wichtiges Recherche- und Archivgut der Arolsen Archives. Auf den Formularen erfasste die IRO bei den Antragstellenden ihre Verfolgungsgeschichte, fragte nach aktuellen Lebensumständen und dem Gesundheitszustand der NS-Verfolgten.

Der Traum von einem Neuanfang im Ausland

Anhand der in den Arolsen Archives überlieferten Originaldokumente können die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter des Archivs heute Verfolgungsgeschichten detailliert nachrecherchieren. Doch nicht nur um die Vergangenheit der Geflüchteten ging es in den Anträgen. Wohin verschlug es die Verfolgten, wovon träumten
sie nach der Befreiung durch die Alliierten und was waren ihre Pläne? "Man kann in unseren Unterlagen detailliert den Gesprächen zwischen Antragstellenden und Sachbearbeitenden folgen", erläutert Nicole Dominicus, Referatsleiterin der Archivverwaltung. "Die erhaltenen Anträge zeigen, dass die zur Emigration Bereiten auch darlegen mussten, wie sie sich ihr zukünftiges Leben im Ausland vorstellten."

Nicht nur für Recherchen auf individueller Ebene sind die Akten heute wichtige geschichtliche Zeugnisse, ihnen kommt auch eine besondere Aktualität zu. Anhand der überlieferten Dokumente können Forscherinnen und Forscher nachvollziehen, wie internationale Hilfsorganisationen der Nachkriegszeit systematisch große
Flüchtlingsbewegungen verwaltet haben. Damit die Unterlagen auch zukünftig für Recherchen zur Verfügung stehen, mussten sie in Mengenverfahren restauriert, entsäuert und neu verpackt werden. Unterstützt im Rahmen des BKM-Sonderprogramms 2018 kamen die Arolsen Archives diesem Bedarf nach und bearbeiteten die Bestände an Emigrationsanträgen aus Österreich.