Die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) lud am 17. Januar 2019 Fachleute des Aufgabengebiets Originalerhalt zu einem außerordentlichen Bundesweiten Expertengespräch in die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Für den gemeinsamen Austausch trafen sich Expertinnen und Experten der Sparten Archiv und Bibliothek aus allen Ländern sowie aus Bundeseinrichtungen. In Hinblick auf die Antragsfristen für die Einreichung von Projekten für das BKM-Sonderprogramm am 31. Januar und die KEK-Modellprojektförderung am 15. Februar lag der Fokus auf einem produktiven Dialog zu aktuellen Fragen des Originalerhalts.

Entwicklungen im BKM-Sonderprogramm

Das Treffen fand aufgrund der für 2019 zur Verfügung gestellten Mittel von 4,5 Mio. Euro für das BKM-Sonderprogramm vor dem Hintergrund außerordentlich positiver Entwicklungen statt. Hierzu zählen auch die im Dezember 2018 veröffentlichten Fördergrundsätze, die neue Perspektiven für die Förderlinie schaffen. Die Außerordentlichkeit des spartenübergreifenden Netzwerktreffens ergab sich aus dem daraus resultierenden kurzfristigen Termin und den neuen Antragsfristen für beide Förderlinien der KEK jeweils zu Jahresbeginn.

Henrik Eder und Volker Graupner
Hendrik Eder, Johannes Kistenich-Zerfaß, Laura Scherr, Michael Vogel und Volker Graupner (von links). © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Hagen Immel

Darüber hinaus lag der Fokus des Treffens dieses Mal auf einem reinen Fachgespräch. Viele der anwesenden Expertinnen und Experten sind an der Umsetzung des BKM-Sonderprogramms beteiligt, sodass die Aufstockung des Programms im Jahr 2019 aktiv auf Bund-Länder-Ebene thematisiert werden konnte. Doch auch für das vergangene Jahr 2018 kann die KEK eine positive Bilanz ziehen. In den drei Antragsfristen des vergangenen Jahrs wurden insgesamt 115 Projekte mit 2,7 Mio. Euro aus Mitteln des BKM-Sonderprogramms gefördert. Wie die massive Aufstockung des BKM-Sonderprogramms koordiniert werden kann und wie eventuell auftretende "Wachstumsschmerzen" vermieden werden können, waren daher zentrale Diskussionspunkte. Aber auch Verfahrens- und Fachfragen wurden intensiv besprochen.

Aktuelle Entwicklungen in den Ländern

Den Ausgangspunkt für die Diskussion bildeten mehrere Berichte aus den Ländern zu aktuellen Entwicklungen im Bereich des Originalerhalts. Dabei wurde deutlich, dass sich das BKM-Sonderprogramm auf Länderebene weiter etabliert hat. In vielen Ländern stehen entsprechend Mittel bereit, um die 50% der Fördermittel, die der Bund bereitstellt, kofinanzieren zu können. Teilweise wurden die entsprechenden Haushaltsmittel in den Ländern erhöht. In Bundesländern wie Thüringen und Nordrhein-Westfalen sind derzeit neue Landesprogramme zum Originalerhalt in Planung.

Das Landesprogramm in Hessen umfasst in den Jahren 2018 und 2019 jeweils ein Fördervolumen von 1 Mio. Euro, die es erfolgreich umgesetzt hat. Zudem ist aus Hessen ein substanzieller Erfolg zu vermelden, da hier im vergangenen Jahr 1 % des bedrohten Archivguts gesichert werden konnte. Damit ist das zentrale Ziel der "Bundesweiten Handlungsempfehlungen", bundesweit jährlich 1% der in ihrer Existenz gefährdeten Bestände zu behandeln, in Hessen im Bereich der Archive erstmals erreicht worden. In Hamburg, wo ebenfalls 1 Mio. Euro im Jahr zur Verfügung stehen, konnten bereits 70 Prozent der Bibliotheksbestände entsäuert werden.

Volker Graupner, Christine Frick
Volker Graupner, Christine Frick, Mark Alexander Steinert und Hendrik Eder (von links). © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Hagen Immel

Es bestärkt sich insgesamt der Eindruck, dass das BKM-Sonderprogramm einen geeigneten Anreiz für die Länder darstellt, entsprechende Mittel bereitzustellen. Auch für kleinere Einrichtungen wie Kommunalarchive stellen die neuen  Fördergrundsätze eine gute Grundlage dar, selbst mit geringen finanziellen Ressourcen spürbare Schritte in Richtung Originalerhalt unternehmen zu können. Derartige Projekte schaffen durch die gemachten Erfahrungen oft wichtige Grundlagen für Folgeprojekte.

Bei all den positiven Nachrichten wurden in der Diskussion auch einige Entwicklungsfelder identifiziert, die auf Länderebene in der Umsetzung der KEK-Förderung verbessert werden können. So sind die Bedingungen für die Antragsstellung und die Kofinanzierung in den Landesbehörden noch sehr unterschiedlich. Während einige Länder bereits gut eingespielte Abläufe vorweisen können, wird die Arbeit in anderen Ländern durch fehlende Ressourcen oder unklare Zuständigkeiten bei den Behörden erschwert. Teilweise können die bereitgestellten Mittel nur von bestimmten Sparten oder Unterhaltsträgern abgerufen und lediglich für bestimmte Maßnahmen verwendet werden. Es zeigt sich jedoch, dass die bereits erfolgreich agierenden Landesprogramme eine hilfreiche Orientierung und Good Practices für ähnliche Initiativen in anderen Ländern bieten können.

Fachfragen im Fokus

Der zweite Teil des Bundesweiten Expertengesprächs begann mit Berichten aus den Fachgremien. Der Unterausschuss Bestandserhaltung der Bundeskonferenz der Kommunalarchive (BKK) berichtete von den Ergebnissen seiner vergangenen Sitzung, in der unter anderem die "Arbeitshilfe Schadenserfassung Kommunal" beschlossen wurde. Diese soll besonders kleine und mittlere Archive dabei unterstützen, mit wenig Aufwand entsprechende Arbeiten beginnen zu können. Aus der Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder (KLA) wurde berichtet, dass sich eine neue Arbeitsgruppe dem Thema Archivguttransporte aus Sicht der Bestandserhaltung widmet. Auch zum aktuellen Problem der Papierfischchen herrscht inzwischen eine gute Informationslage. Ein weiterer Fortschritt ist zudem mit der Website notfallverbund.de erreicht, die in Zukunft partizipativ ausgebaut werden soll.

Mario Glauert und Sven Kriese
Mario Glauert und Sven Kriese (von links). © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Hagen Immel

Ein positives Signal ist zudem, dass die bundesweit agierenden Gremien KLA, BKK und Deutscher Bibliotheksverband (dbv) spartenübergreifend zusammenarbeiten. Gemeinsam haben sie unter anderem ein Empfehlungspapier zur bestandsschonenden Digitalisierung verfasst. Andreas Mälck von der Staaatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz  stellte es vor und machte noch einmal deutlich, dass Digitalisierung und Originalerhalt stärker zusammen gedacht werden müssen.

Einen weiteren Vortrag gab Anna Haberditzl vom Landesarchiv Baden-Württemberg zur Arbeit des Normungsausschusses. Sie konnte verkünden, dass die beim letzten Expertengespräch bereits erwähnte DIN 32701 zur Prüfung der Wirksamkeit von Papierentsäuerung zwischenzeitlich veröffentlicht wurde. Auch zu den Themen Bestandsmanagement, Klimaanforderungen, Notfallvorsorge und Verpackungsmaterialien werden Normen erarbeitet beziehungsweise für den deutschen Kontext überarbeitet. Das Standardwerk "Bestandserhaltung in Archiven und Bibliotheken" wird zudem im Sommer 2019 in der mittlerweile sechsten, aktualisierten Auflage erscheinen.

Christine Frick, Anna Haberditzl, Kristina Stöbener und Ursula Hartwieg
Christine Frick, Anna Haberditzl, Kristina Stöbener und Ursula Hartwieg (von links). © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Hagen Immel

Das Bundesweite Expertengespräch für Originalerhalt wurde im Jahr 2013 von der KEK ins Leben gerufen. Ministeriell benannte Expertinnen und Experten der Sparten Archiv und Bibliothek aller Länder sowie aus Bundeseinrichtungen beraten seitdem regelmäßig strategische Fragen zur Entwicklung des koordinierten Originalerhalts in Deutschland.